Rivers of Heaven: In dieser Textilarbeit aus dem Jahr 2011 setzt die Künstlerin Nilbar Güreş den transzendentalen Paradiesvorstellungen, die sich in verschiedenster Form in den unterschiedlichen Religionen finden und in denen lebensspendende Flüsse immer eine Rolle spielen, einen geschlechtlich expliziten, lebensnahen Gegenentwurf entgegen. Warum auf ein unsicheres Jenseits warten? Warum nicht den Himmel auf die Erde holen und sich ein eigenes Paradies schaffen – und sei es nur für Momente?

Foto: Courtesy the Artist; Galerie Martin Janda, Wien; Rampa, Istanbul

Die Ehe von Magdalena und Peter Pürk stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Magdalena war offenbar nach der Hochzeit in der Wiener Leopoldstadt im Jahr 1765 zu ihren Eltern geflohen. Die eigenmächtige Scheidung missfiel dem Pfarrer, er zeigte Magdalena Pürk beim Wiener Konsistorium an – das Kirchengericht ordnete die Cohabitation, also das Zusammenleben an. Ein halbes Jahr klagte Peter Pürk auf Scheidung von Tisch und Bett, weil weder Frau noch Mitgift bei ihm eintrafen. Das Kirchengericht lehnte ab und bestand auf der Cohabitierung. Wenig später – das "Paar" schien kurz zusammengelebt zu haben – klagte die Frau wegen häuslicher Gewalt. Das Gericht sah wieder keinen Scheidungsgrund, verfügte aber eine Trennung von einem halben Jahr.

Und so ging es weiter. In 16 Jahren wurden 13 Verfahren ausgefochten. Trotz sechs Cohabitierungsurteilen weigerte sich Magdalena Pürk standhaft, zum Ehemann zu ziehen, und begründete das mit Gewalt und Geschlechtskrankheiten. "Die Trennungen oder Scheidungen waren Ausweg und Sackgasse zugleich", schreibt Andrea Griesebner, Historikerin an der Uni Wien, in ihrer Publikation über diesen Ehestreit. Denn selbst bei unbefristeter Scheidung erlaubte die Kirche keine neuerliche Heirat. Die Zivilehe, im Deutschen Reich 1874 eingeführt, kam erst mit dem "Anschluss" 1938 nach Österreich.

Forschungsprojekt "Ehen vor Gericht"

Griesebner und ihr Team beschäftigen sich im vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Forschungsprojekt "Ehen vor Gericht" mit Verfahren aus dem 16. bis zum 19. Jahrhundert im Raum des Erzherzogtums Österreich unter der Enns, heute das Gebiet von Wien und Niederösterreich. Die Historiker haben an die 70.000 Seiten handschriftlicher Gerichtsprotokolle gesichtet, 10.000 davon transkribiert. Insgesamt haben sie die Eheverfahren von rund 2100 Paaren recherchiert.

Griesebner selbst konzentriert sich auf die Fälle vor 1783, dem Jahr, als das Josephinische Ehepatent in Kraft trat und weltliche Gerichte die kirchlichen ablösten. "Wie das Beispiel der Pürks zeigt, zogen sich die Verfahren vor 1783 oft lange hin", so Griesebner. "Die Kirchengerichte hatten wenige Möglichkeiten, wenn Beklagte nicht zur Verhandlung erschienen. In einem Fall wird eine Person über 30 Mal vorgeladen. Sie erscheint erst, als das Gericht mit Exkommunikation droht."

Kaum mehr befristete Trennungen

Nach 1783 sprachen die nun zuständigen Magistrate und Ortsgerichte schneller Urteile in Abwesenheit aus. Befristete Trennungen gab es kaum mehr, erklärt Georg Tschannett, der sich mit diesem Zeitraum befasst. Die vielen Folgeverfahren blieben aus. In den ersten Jahren waren überhaupt nur mehr einverständliche Scheidungen erlaubt. 1812 trat das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) in Kraft, das von einer bürgerlich-patriarchalischen Sichtweise geprägt ist. "Es geht davon aus, dass der Mann der Ernährer und Hausvorstand ist und den Unterhalt zu leisten hat. Das war davor – aber auch im 19. Jahrhundert – nicht immer der Fall", erläutert Tschannett.

Heterogenität der Fälle

Griesebner betont die Heterogenität der Fälle: Es komme auf die soziale Schicht, auf Stadt oder Land, auf konkrete Kontexte an. Es gibt Knechte, die eine versprochene Ehe mit der Bauerntochter einklagen, Klavierlehrer mit Affären und viele mittellose Gesellen, die eine Witwe mit Handwerksbetrieb heiraten und dann vor allem im Wirtshaus anzutreffen sind. Gewalt, Beleidigungen, Untreue samt Geschlechtskrankheiten sind Dauerbrenner bei den Konfliktgründen. Für die Zeit vor 1783 könne man sagen, dass Frauen eher Scheidung, Männer eher Cohabitierung einklagen.

"Wir haben zudem viele Patchworkfamilien", so die Historikerin. Viele der Paare waren zum zweiten oder dritten Mal verheiratet. Bemerkenswert sei zudem, dass Frauen nicht nur Mobilien, sondern auch Grund und Boden, Häuser und Gewerbeberechtigungen in die Ehe einbrachten. Die Geschlechterverhältnisse sahen anders aus, als man vermuten würde: "Die Vorstellung vom Mann als Ernährer und der Ehefrau als Hausfrau muss man für diese Zeit über Bord werfen. Das hat vielleicht in den 1960ern gegolten." (Alois Pumhösel, 10.3.2016)