Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar (links) brauchte seine Hände nicht zum Verteilen, sondern zum Besänftigen der verärgerten Besucher.

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"Eine richtige Schweinerei ist das", ärgert sich eine ältere Frau mit Pelzkappe. "Betrug" wittert eine andere Pensionistin im Wollpulli. Beide waren am Montag bei Sauwetter vor das Parlament in Wien gegangen, um hier Schlange zu stehen. Sie warteten bei fünf Grad Celsius und Nieselregen – für nichts. In der U-Bahn-Zeitung hatten sie von der Verteilaktion des Teams Stronach gelesen: Gratispfeffersprays zum Frauentag. Nun stehen sie hier, doch alle Pfeffersprays sind weg.

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"Der Andrang war groß", sagt Stronach-Klubobmann Robert Lugar mit bedauerndem Schulterzucken, einen leeren Korb in der Hand. Er meint vor allem den parteiinternen Andrang. Noch vor Beginn der Verteilaktion war der Großteil der Pfeffersprays "im Umkreis" vergeben worden, erklärt Lugar. "Wir werden das aber bald wiederholen", tröstet er die rund 80 Köpfe umfassende Menschentraube rund um ihn.

Die beiden alten Frauen stimmt das nicht milde. "Ich habe extra einen Fahrschein gekauft", sagt eine. Sie fühlt sich für eine Medienaktion des Teams Stronach benutzt. Tatsächlich sind viele Kameras hier. 45 Minuten vor der Pfefferspray-Aktion hatten Lugar und die Abgeordnete Martina Schenk zur Pressekonferenz geladen, mit anschließendem Spaziergang zum Parlament. Der Plan, das Mediengespräch mit der Verteilaktion zu verbinden, war aufgegangen: So viele Medienvertreter wären der Einladung zum Pressegespräch der Kleinstpartei unter anderen Umständen wohl nicht gefolgt.

Traue keiner Polizeistatistik

Lugar nutzte die Gelegenheit, um in sachter Vernachlässigung der demokratischen Gewaltenteilung "die Innenministerin" aufzufordern, "endlich das Waffengesetz zu novellieren". Denn mehr Waffen in privaten Haushalten machten das Land sicherer, ist Lugar überzeugt. Das sei auch dringend nötig, glaubt Schenk, denn "die Menschen fühlen sich immer weniger sicher", und die Frauen unter den Menschen noch weniger. Dass die Anzeigen laut Polizeistatistik seit Jahren zurückgehen, beeindruckt Schenk nicht: "Vertraue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast", sagt sie in Richtung Exekutive.

Welchen Quellen das Team Stronach hingegen vertraut? Den "Pressemeldungen", sagt Lugar. Medienberichte über Gewaltdelikte gebe es schließlich "jeden Tag". Dass die von Lugar frei verteilten Pfeffersprays selbst bei Gewaltdelikten zum Einsatz kommen könnten, schließt der Abgeordnete aus: Der Spray sei schließlich "eine reine Defensivwaffe".

Da diese noch nicht ausreiche, fordere man ein einfacheres Erlangen des Waffenpasses. "Jeder unbescholtene Bürger soll einen Waffenpass haben dürfen", sagt Lugar. Die Ermessensbestimmungen im Gesetz sollten gänzlich fallen.

Eine "nicht wahnsinnige Bürgerin"

Quasi als Beweis dafür, wie schwierig es hierzulande sei, Waffen zu tragen, ließ das Team Stronach auf dem Podium "eine Betroffene" sprechen: "eine geprüfte, normale Bürgerin die nicht wahnsinnig ist", wie Lugar erklärte. Die Wienerin gab an, sich zu Hause zu fürchten, eine Waffe würde ihr Sicherheitsgefühl erhöhen. Dass sie dafür jedoch einen Psychotest ablegen und 268 Euro berappen müsse, sei infam, meint Lugar.

Strafen drohen

Während die Journalisten ihre Sager bekamen, gingen bei der Verteilaktion anlässlich des Frauentags nur die Schnellsten und Kräftigsten nicht mit leeren Händen nach Hause, und einige von ihnen waren Männer. Ob auch Menschen mit aufrechtem Waffenverbot einen Pfefferspray ergatterten, ist ungewiss. Sollte das der Fall sein, drohe den Abgeordneten jedenfalls eine Anzeige und bei Verurteilung bis zu ein Jahr Haft, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Die Abgabe an Minderjährige sei mit Geldstrafen bis zu 3.600 Euro belegt.

Ein wütender Herr, der ebenfalls unbewaffnet nach Hause gehen musste, zieht gleich auf der Parlamentsrampe politische Konsequenzen. Das Team Stronach sei letztlich auch nur so wie alle anderen Parteien – "Die Identitären sind die einzigen Vernünftigen", ruft er. Als eine junge Frau darüber nur den Kopf schüttelt, wird der Frauentagsaktions-Besucher gleich noch wütender: "Ja, das ist nix für euch linke Tussis!"

Als "rechtsaußen" will sich das Team Stronach wegen der Verteilaktion jedenfalls nicht verstanden wissen. Man identifiziere Gewaltdelikte zwar mit den steigenden Asylantragszahlen – "Wer das nicht sieht, ist blind", meint Lugar –, doch hat der Klubobmann auch Tipps für Frauen in Gewaltbeziehungen parat. Der Pfefferspray sei schließlich ein Allroundmittel zur Selbstverteidigung von Frauen – "auch gegen den eigenen Ehemann". (Maria Sterkl, 7.3.2016)