Gründe kann es viele geben: Die Sonne scheint, Termine stehen an, oder es sind einfach öde Kandidaten. Hält der Trend der letzten Bundespräsidentenwahlen jedenfalls an, dann könnte die Wahlbeteiligung heuer erstmals unter 50 Prozent absacken. Bei der Bundespräsidentenwahl 2010 war diese nur mehr dank der Wahlkarten über die 50er-Marke geklettert.

Von den hohen Wahlbeteiligungen von mehr als 90 Prozent bis etwa in die 1970er-Jahre gar nicht zu reden. Die waren noch wegen der Wahlpflicht zustande gekommen. Die letzte Bundespräsidentenwahl war übrigens die erste, bei der österreichweit keine Wahlpflicht mehr bestand, denn bis zum Jahr 2004 galt eine solche noch in Tirol.

Wie viele Wähler und Wählerinnen wird es also heuer geben? Weniger als 50 Prozent? Nein, sagen zumindest die Wahlforscher – aus derzeitiger Sicht. "Bei Wahlen geht es immer auch um Emotionalisierung. Hier ging es nicht um viel, es war klar, wer gewinnt. Daher war da die Emotion komplett weg", sagt David Pfarrhofer vom Linzer Meinungsforschungsinstitut Market über die Hofburg-Wahl 2010.

Ähnlich sieht das Christoph Hofinger vom Meinungsforschungsinstitut Sora. Er spricht beim Wahlergebnis aus dem Jahr 2010 eher von einem Ausreißer, denn: "Damals stand mit Heinz Fischer praktisch schon vor der Wahl der Sieger fest." Es war die Wahl zu Fischers zweiter Amtszeit, Grüne wie ÖVP stellten gar keine Kandidaten auf.

Breites Angebot

Nicht nur das ist heuer anders. "Mit dem breiten Angebot an Kandidaten ist es denkbar, dass die Wahlbeteiligung wieder ansteigt. Noch dazu verspricht der erste Wahlgang dadurch viel Spannung", sagt Hofinger. Für Pfarrhofer ist entscheidend, inwieweit der Wahlkampf Fahrt aufnimmt. "Derzeit fehlt völlig die Spannung. Es wird über Fragen wie die Angelobung von Regierungen oder deren Vermeidung diskutiert. Das ist demokratiepolitisch wichtig, die Wähler interessieren aber andere Themen. Bildung etwa oder Integration", sagt der Linzer Meinungsforscher.

Auffallend sei auch das "niedrige Zustimmungsniveau" für die Regierungskandidaten. "Die Chancen für die anderen Kandidaten sind gut. Allerdings kann das gleich anders aussehen, wenn bei ÖVP und SPÖ die Funktionärsnetze zu laufen beginnen."

"Heute gilt Nichtwählen als legitimes Handeln im demokratischen Spektrum. Die Wähler sehen das entspannt, anders als beispielsweise in den 1970er-Jahren", sagt Sora-Politikforscher Christoph Hofinger.
Foto: APA/Neubauer

"Sporadische Nichtwähler"

Aber wer sind die Nichtwähler? Sind es Männer? Die Jugendlichen? Wen muss die Politik da (zurück)gewinnen? Betrachtet nach Wahlalter gibt es zwei Gruppen, bei denen der Anteil der Nichtwähler hoch ist, sagt Hofinger: Einerseits sind es die rund 20-Jährigen, die davor ein, zwei Mal gewählt haben.

Und dann ist es noch die Gruppe der sehr alten Menschen. "Manche dieser Menschen neigen dazu, nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen", nennt Hofinger als Erklärung. Aufgrund der Altersstruktur der Gesellschaft bilden die Hochbetagten, also die 80- oder 90-Jährigen, eine wachsende Gruppe. Pfarrhofer nennt ein weiteres Detail: "Menschen mit schlechter Bildung tendieren dazu, häufiger eine Wahl auszulassen." Der Bildungsbürger sei eher ein "sporadischer Nichtwähler".

Wahlmuffel sind auch Menschen mit Migrationshintergrund. Warum? "Die Kenntnis über das politische System in Österreich ist oft sehr gering. In vielen Herkunftsländern gibt es auch kaum demokratische Strukturen, geschweige denn systematische, flächendeckende politische Bildung", sagt Hofinger. Bei den "klassischen" Gastarbeitern werde auch in einer Art "Rückkehrfiktion" gelebt. Ein interessantes Detail: Der Sora-Wahlforscher sieht einen gewissen "Gendereffekt". Früher hätten eher Frauen Wahlen geschwänzt, in den letzten Jahren sind es hingegen mehrheitlich die Männer.

Entspanntes Wahlvolk

Eines hat sich über die Jahre völlig verändert, sagt Hofinger: "Heute gilt Nichtwählen als legitimes Handeln im demokratischen Spektrum. Die Wähler sehen das entspannt, anders als beispielsweise in den 1970er-Jahren. Die Generation der heute unter 50- und 40-Jährigen geht dann wählen, wenn sie das Gefühl hat, dass die Stimme etwas beeinflusst und die Wahl wichtig ist."

Auch Pfarrhofer findet, dass die "moralische Wahlpflicht am Abnehmen ist". Aber nicht immer dürfe Nichtwählen als Zeichen der Unzufriedenheit mit den zur Wahl stehenden Kandidaten und Kandidatinnen betrachtet werden. Gebe es doch eben die ganz banalen Gründe: "Das Wetter ist zu schön, generelles Desinteresse oder einfach nur Faulheit." (Peter Mayr, 9.3.2016)