Maria Scharapowa zuletzt bei einer Party am Rande der Oscar-Gala. Die goldenen Zeiten sind vorerst vorbei.

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Los Angeles/Frankfurt – Die Sportwelt reagierte geschockt, Topsponsoren zogen sich zurück, und der gefallene Superstar Maria Scharapowa tauchte zunächst einmal ab. Am Tag nach ihrer Dopingbeichte stand die 28-jährige Russin vor dem Scherbenhaufen ihrer Tenniskarriere. Spekuliert wird über ein Karriereende der bestverdienenden Sportlerin der Welt, die Dauer ihrer Sperre und den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage in einem Hotel in Los Angeles am Montag.

Sponsoren springen ab

Scharapowa, die im Jahr 2015 laut "Forbes"-Liste 29 Millionen Dollar verdiente (davon 22 Millionen durch Werbung), geht es nun auch ans Geld. Der US-Sportartikelriese Nike und der deutsche Sportwagenhersteller Porsche setzen ihre millionenschweren Verträge aus. Der Schweizer Uhrenhersteller TAG Heuer erklärte, dass der auslaufende Vertrag nicht verlängert werde.

Strafausmaß offen

Der Anwalt der fünffachen Major-Siegerin, John Haggerty, rechnet im schlimmsten Fall mit einer Sperre von vier Jahren, wie er der Zeitung "USA Today" sagte. Allerdings sei auch eine Straffreiheit wegen mildernder Umstände möglich. Auf die Öffnung der B-Probe verzichtet Scharapowa, die bei den Australian Open im Jänner überführt wurde. Ab 12. März wird sie erst einmal gesperrt sein.

Das Präparat Mildronat mit dem Wirkstoff Meldonium wird laut dem Dopingforscher Mario Thevis von der Deutschen Sporthochschule in Köln bei Herzerkrankungen, Infarkten und Diabetes eingenommen. "Die positiven Effekte des Wirkstoffs sind eine höhere physische und mentale Belastbarkeit sowie eine schnellere Regeneration", sagte Thevis.

Beliebtes Meldonium

"Shazzas Dopingschande: Scharapowas Tenniskarriere liegt in Trümmern", titelte die englische "Sun", die "Daily Mail" schrieb: "Sharap-over für Mary". Die "Metro" wandelte den Nachnamen um in "Sharadopa".

Scharapowa ist bereits der siebente Profi, der in diesem Jahr positiv auf die in Mittel- und Westeuropa nicht als Arzneimittel zugelassene Substanz getestet wurde. Vor ihr waren unter anderen ihre Landsleute Eduard Worganow (Radsport) und Jekaterina Bobrowa (Eiskunstlauf) erwischt worden.

Scharapowa hatte berichtet, dass es in ihrer Familie Diabetesfälle gebe und sie wegen ihrer Grippeanfälligkeit seit 2006 auf das Medikament zurückgegriffen habe. "Ich habe auch einen Magnesiummangel und hatte ungewöhnliche EKG-Ergebnisse."

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Als Tabletten oder in liquider Form erhältlich: Mildronat.
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Seibersdorf-Statistik

Das österreichische Kontrolllabor in Seibersdorf hatte am Monitoring-Prozess der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) in Zusammenhang mit Meldonium mitgewirkt. Schließlich stammt ein großer Teil der dort jährlich analysierten rund 6000 Dopingproben aus dem hauptsächlich betroffenen Osteuropa-Raum, wie Laborleiter Günter Gmeiner bestätigt. "Die erhobene Statistik hat dazu beigetragen, dass Meldonium in die Verbotsliste aufgenommen worden ist", sagt Gmeiner. Auch heuer habe es in Seibersdorf schon Meldonium-Funde gegeben. "Der Trend der positiven Fälle ist bei uns derselbe wie in anderen Labors."

Die leistungsfördernde Wirkung von Meldonium steht für Gmeiner außer Zweifel. "Die Substanz hat bei Sportlern einen positiven Effekt auf die Leistung." Über erwünschte Hauptwirkungen – höhere körperliche wie geistige Belastbarkeit, schnellere Regeneration – braucht man weder die Packungsbeilage lesen noch Arzt oder Apotheker fragen.

Ungelesene Mail

Der Chefkardiologe der Cleveland Clinic, Steven Nissen, sagte der "New York Times" allerdings: "Bei keinem Krankheitsbild wird Meldonium jungen Athleten als Medikament verordnet." Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hatte die Verbände und nationalen Anti-Doping-Agenturen bereits Mitte September 2015 über die Änderungen der Dopingliste informiert, der Tennis-Weltverband schickte seinen Profis Ende Dezember 2015 eine Mail. "Ich habe nicht draufgeschaut. Es war ein großer Fehler", meinte Scharapowa.

Navratilova glaubt an Versehen

Unterstützung erhielt sie aus Russland. "Athleten nehmen, was die Ärzte ihnen verschreiben. Ich glaube, dass Scharapowa eine Chance hat, bei den Olympischen Spielen anzutreten", sagte Tennisverbandspräsident Schamil Tarpischtschew.

Auch Tennislegende Martina Navratilova wollte auf Twitter nicht an einen bewussten Verstoß glauben: "Ich hoffe, es klärt sich alles auf, denn für mich sieht es aus wie ein Versehen."

Die Spiele in Rio steigen im August. Eher dürfte allerdings Russlands Sportminister Witali Mutko richtig liegen, der mit einer Zunahme der Meldonium-Fälle rechnet, obwohl – natürlich – auch das Ministerium die Sportler warnte. "Ich bin nicht in der Position, um öffentliche Ankündigungen zu machen", sagte Mutko und kündigte öffentlich an: "Es wird mehr Fälle geben." (sid, red, 8.3.2016)