Irmgard Griss darf offiziell für das Präsidentenamt kandidieren: Am Dienstag brachte ihr Team – hier vor der Hofburg – die Kisten mit Unterstützungserklärungen zur Wahlbehörde ins Innenministerium.

Foto: Der Standard/Newald

Innsbruck/Wien – Irmgard Griss ist die Streberin unter den Präsidentschaftskandidaten. Sie war die Erste, die ihre Kandidatur bekanntgab, sie ist die Erste, die die erforderlichen Unterstützungserklärungen abgibt, damit ist ihre Kandidatur offiziell. Die genaue Zahl hat die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshof nicht parat, da muss ihr Pressesprecher nachschießen: 7851 Unterschriften übergibt das Griss-Team am Dienstagvormittag der Wahlbehörde im Innenministerium. Doch das ist nicht genug. Griss will weitersammeln, ihr Ziel sind 10.000 Erklärungen.

Unermüdlich warb die pensionierte Juristin in den vergangenen Wochen um Unterstützer zwischen Wien und Bregenz. Nicht immer wurde sie erkannt.

Tiroler Polit-Wutbürger

In Innsbruck sind die beiden Italiener mit dem Selfiestick verwirrt. Sie stehen unter dem Goldenen Dachl neben einer kleinen Traube von Menschen und Kameraleuten und liebäugeln mit einem Foto mit der Prominenz, die sich doch in deren Mitte finden lassen muss. Bloß, wer ist der Star? Nach ein paar Minuten ziehen sie enttäuscht von dannen. Sie konnten Irmgard Griss nicht als die umgarnte Persönlichkeit ausmachen. Dabei geriert sich die ehemalige Höchstrichterin weniger streng als in ihren Videos, fast unscheinbar wirkt Griss. Sie plaudert mit sanfter Stimme, trägt bedacht die Positionen vor. Lob für ihren Mut nimmt sie dankbar, doch bescheiden an: Ach, sie habe doch nichts zu verlieren. Ihren Unique Selling Point muss Griss gar nicht erst selbst hervorheben: "So toll, dass es endlich einen unabhängigen Kandidaten gibt" – das ist der Satz, den sie derzeit am häufigsten hört.

Bevor sie sich am Nachmittag unter das Volk mischte, traf sie den Tiroler Polit-Wutbürger Fritz Dinkhauser zum Kaffee. Er und seine Frau Heidi haben Griss 5000 Euro gespendet, die Kleinpartei Liste Fritz unterstützt ihre Kandidatur. Inzwischen hat Griss über 540.000 Euro an Sponsorgeldern lukriert – hauptsächlich von Kleinspendern. "Die Republik braucht endlich jemanden wie Griss: Eine unabhängige Frau", sagt Dinkhauser. "Die meisten Politiker sind ja Hosenscheißer."

Wertschätzung für Politiker

Das würde Griss in dieser Wortwahl wohl nicht unterschreiben, für Berufspolitiker hat sie aber auch wenig übrig: "Politiker sollten diesen Job nur für ein paar Jahre ausüben, als Krönung eines erfolgreichen Berufslebens in einer anderen Branche", erklärt sie. Auf Nachfrage, wie man solche Leute locken könne, hat sie keine klare Antwort parat: "Es kann da keine fixen Regeln geben. Das ist ein Prozess, das muss aus der Gesellschaft wachsen. Politiker müssten wieder mehr Wertschätzung erfahren." Es dürfe nicht sein, dass einem politisches Engagement zum Nachteil ausgelegt werde.

Bei ihrem Stadtspaziergang durch das verregnete Innsbruck wird deutlich: Sie selbst hat da derzeit nichts zu befürchten. Jeder, der sie erkennt, gratuliert. Die meisten ihrer Begegnungen mit Bürgern sind werbevideotauglich. "Ich freue mich, dass sie frischen Wind reinbringen", ruft ihr eine ältere Frau zu. Ein Mann mit Hornbrille will ihr gar nicht mehr von der Seite weichen. "Das Geplänkel und Gezanke der Funktionäre interessiert die Leute einfach nicht mehr", sagt er. "Ja, ja", stimmt Griss zu und nickt. Zu ihrem nächsten Bürgerdialog – ein von ihrem Wahlkampfteam entworfenes Format, für das sich Interessierte anmelden können, um mit ihr zu diskutieren – bringe er, so versichert ihr Gesprächspartner, "einen ganzen Fanclub" mit.

Wunschkollegin Clinton

Danach geht es zu einem Treffen mit dem Damennetzwerk "Alpha-Frauen". Die Präsidentschaftsanwärterin ist unter den Anwesenden dort mit Abstand am legersten gekleidet. "Bei uns im Westen kennt man sie nicht so gut", wird sie holprig angekündigt. Dann erzählt Griss von ihrer Zeit an der amerikanischen Eliteuniversität Harvard und von ihrer Kindheit auf dem Land in der Steiermark. Täglich sei sie damals eineinhalb Stunden lang mit einem Bummelzug zur Schule gefahren. "Ich habe mir nie überlegt, ob ich benachteiligt bin, ob ich schlechtere Voraussetzungen als andere habe. Ich habe das einfach gemacht", sagt sie. Die Alpha-Frauen lauschen andächtig.

Neben dem abgesperrten Bereich in dem Café sitzt an einem Hochtisch eine Gruppe 16-jähriger Mädchen. "Wer ist die Frau?", fragt eines. Sie kennen Griss nicht, können nur einen aufzählen, der Präsident werden will: Richard Lugner. "Aber wählen tu ma den nicht." Ob sie für die ihnen nun bekannte Griss stimmen, müssten sie sich noch überlegen.

Zurück in Wien, mischt sie sich vor der Hofburg noch in einen anderen Wahlkampf ein. Eine Gruppe amerikanischer Touristen stellt Griss plötzlich Fragen, die sie erfreut beantwortet. Auch ihnen erzählt sie die Geschichte der unabhängigen Kandidatin und gibt ihnen eine Wahlempfehlung mit. Geht alles nach Griss' Vorstellungen, wünscht sie sich Hillary Clinton als Amtskollegin. (Marie-Theres Egyed, Katharina Mittelstaedt, 8.3.2016)