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George Martin in den frühen 1960ern, als er mit den Beatles die Popmusik revolutionierte. 90-jährig ist er nun gestorben.

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George Martin und Ringo Starr 2008 bei den Grammys.

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Wien – Mit seinem Spitznamen konnte er sich nie richtig anfreunden. Ob das Koketterie oder Bescheidenheit war, wusste nur er selbst. Ungeachtet dessen galt George Martin der Welt als der fünfte Beatle. Am Dienstag ist der britische Musiker und Produzent gestorben, er wurde 90 Jahre alt.

George Martin hatte bezüglich der Beatles alles richtig gemacht. Ohne der vier Pilzköpfe ansichtig zu werden und ohne restlos begeistert von den Probeaufnahmen zu sein, die ihm deren Manager Brian Epstein vorgespielt hatte, nahm er sie unter Vertrag. Anders als sein Kollege bei Decca, Dick Rowe, der unter anderem deshalb in die Geschichte der Populärmusik einging, weil er die Beatles nicht an das Label Decca gebunden hatte. Etwas, das er mit den Rolling Stones wiedergutmachte – mithilfe der Fürsprache von George Harrison, wie es heißt.

Harrison war es auch, der Martins Entscheidung bekräftigt hatte, die Beatles trotz ihrer Defizite unter Vertrag zu nehmen. Als er bei dem ersten Zusammentreffen der Band aufzählte, was ihm alles an der Musik nicht gefiel, soll Harrison gesagt haben, ihm gefalle auch vieles nicht, "zum Beispiel Ihre Krawatte".

Das war am 6. Juni 1962. Es war der Tag, an dem George Martin den Vertrag unterzeichnete. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Der klassisch ausgebildete und seit 1950 beim Musikverlag EMI beschäftigte Martin war ab 1955 Chef dessen Sublabels Parlophone. Dort produzierte er Jazz- und Comedyalben.

Ein Glücksfall

Für die Beatles erwies sich der am 3. Jänner 1926 in London geborene Martin als Glücksfall. Er half aus, wo es John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr zu schwierig wurde. Er schlug zusätzliche Instrumentierungen ihrer Songs vor, er war der nüchterne Verwirklicher dessen, was sich die Beatles später aus dem LSD-seligen Paralleluniversum zusammenhalluzinierten. Martin war der Arrangeur der Beatles, ein Ideengeber, ein Freund, und wurde zu einem der bedeutendsten Musikproduzenten unserer Zeit.

Abbey Road

Er experimentierte mit Studiotechnik und war verantwortlich dafür, dass die Beatles das Popformat immer wieder erweitern konnten. Gleichzeitig galt er als Verfechter der Monomischtechnik, worunter manche Beatles-Aufnahmen bis heute klanglich leiden.

Martin war so wichtig für die Beatles, dass Harrison immer erst auf ein "George!" reagierte, wenn Martin nicht zugegen war. Ansonsten, sagte Harrison, galt der Ruf mit Sicherheit George Martin.

1964 verließ der die EMI, weil er als Angestellter keine Tantiemen vom Erfolg der Beatles bekam. Er gründete Associated Independent Recording (AIR), das jedoch erst 1970 ein eigenes Tonstudio bekam. Für die Beatles wurden weiterhin Studios angemietet. 1979 gründete er auf der Karibikinsel Montserrat ein AIR-Studio, in dem viele berühmte Alben aufgenommen wurden, bis es 1997 bei einem Vulkanausbruch zerstört wurde.

Goldfinger

Nach dem Ende der Beatles produzierte der Vater von vier Kindern andere Musiker und Bands wie Jeff Beck, Cheap Trick, Kenny Rogers, die Dire Straits, Duette von Paul McCartney & Stevie Wonder (Ebony and Ivory) und Paul McCartney & Michael Jackson (Say, Say, Say) sowie die James-Bond-Titelsongs Goldfinger (Shirley Bassey) und Live and Let Die von McCartney und seinen Wings.

Eagle Rock

Als Produzenten-Grandseigneur unterhielt er in den 1990ern eine Musiksendung bei der BBC, und vor fünf Jahren erschien die Doku Produced by George Martin, in der Wegbegleiter und Kollegen Leben und Werk dieser zum Ritter geschlagenen Ausnahmeerscheinung erzählten. Gegangen mag er nun sein, vergessen sein wird George Martin nie. Nicht, solange irgendwo auf diesem Planeten die Musik der Beatles gespielt wird. (Karl Fluch, 9.3.2016)