Straßburg – Die geplante Vereinbarung mit der Türkei in der Flüchtlingskrise ist im EU-Parlament auf Kritik gestoßen. Sozialisten, Grüne und Linke äußerten am Mittwoch massive Bedenken wegen drohender Massenabschiebungen aus Griechenland und der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei. Konservative Abgeordnete kritisierten die von der Türkei verlangten Gegenleistungen.

Die Türkei hatte beim EU-Gipfel überraschend angeboten, alle aus der Türkei in Griechenland neu ankommenden zurückzunehmen. Für jeden zurückgebrachten Syrer soll die EU einen Syrer auf legalem Weg aufnehmen. Im Gegenzug will die Türkei den Fall des Visa-Zwangs ab Juni, die Ausweitung der EU-Beitrittsgespräche auf fünf weitere Bereiche und doppelt so viel Hilfe für syrische Flüchtlinge in der Türkei – sechs Milliarden Euro.

Verhofstadt: Europa lagert seine Probleme aus

Die angestrebte Vereinbarung sei höchst problematisch, sagte der Liberale Guy Verhofstadt. Europa wolle damit seine Probleme auslagern und gebe dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan "die Eingangsschlüssel für die Tore Europas in die Hand". "Das ist so, als würden die USA Mexiko sagen: Ihr verwaltet in Zukunft die Grenze."

Auch der EVP-Vorsitzende Manfred Weber äußerte Bedenken: "Die EVP ist bereit, über Visa-Liberalisierungen zu reden, aber ich kann nicht verhehlen, dass es viele Sorgen gibt." Er forderte die Staats- und Regierungschefs auf, sich aus den Details der Visabefreiung herauszuhalten. Das sei Aufgabe des EU-Parlaments und des Ministerrats. Beide Organe müssen der Befreiung zustimmen. "Aus unserer Sicht gibt es keinen Blankoscheck", sagte Weber.

Erinnerungen an Ablasshandel

Auch Grüne und Linke kritisierten die geplanten Vereinbarungen. "Wir schließen einen Deal mit einem Land, das bereit ist, Menschen im eigenen Land zu töten", sagte Linken-Fraktionschefin Gabi Zimmer. Sie fühle sich bei EU-Verhandlungen mit der türkischen Regierung an einen Ablasshandel erinnert.

Es dürfe "keinen Kuhhandel zum Schicksal von Flüchtlingen" geben, sagte der sozialistische Fraktionsvorsitzende Gianni Pittella. Die Beitrittsgespräche mit einem Dialog in der Flüchtlingskrise zu vermischen sei der falsche Ansatz. Zudem dürfe auch Griechenland nicht vergessen werden, das "ein Käfig für Flüchtlinge" zu werden drohe, "in dem es einen Eingang, aber keinen Ausgang gibt". (APA, 9.3.2016)