Wien – Wie viel Vorstellungskraft braucht man für eine Erfindung? Muss man sich etwa als Techniker oder Physiker vorstellen können, was man baut? Das wäre wohl nicht schlecht, möchte man meinen. Wenn es aber um eine Erfindung geht, die etwas generiert, was man sich noch weniger vorstellen kann, dann braucht es vor allem einen unerschütterlichen Glauben an sich selbst.

Karl Schappeller, geboren 1875 in einem Armenhaus im oberösterreichischen Aurolzmünster, glaubte an die von ihm bezeichnete "Raumkraft" und wollte als Privatgelehrter deshalb unbedingt eine Maschine bauen, mittels deren man Energie aus dem Raum gewinnen kann. Ein kugelförmiges Ding sahen die Pläne vor, und obwohl er zahlreiche Unterstützer für sein Lebensprojekt finden sollte, scheiterte er an der Umsetzung.

Für Aus dem Nichts – zu sehen auch im Rahmen der Diagonale – ist das ein Glücksfall. Denn Angela Summereder hat sich nicht für ein herkömmliches Biopic über einen außergewöhnlichen Mann entschieden, sondern für eine filmisch außergewöhnliche Annäherung: für eine doppelte Ebene von Dokumentation und Fiktion.

Eine neue Welt

Was ist wahr, was ist falsch? Aus dem Nichts erzählt von Dingen, die so wenig greifbar sind wie die kleine Gruppe an Leuten rund um Schappeller, die zu Beginn auf Archivmaterial durch die Gegend spaziert, eben aus einem Nichts zu kommen scheint und sich ebenso schnell wieder auflöst. Was folgt, sind Kindheitserinnerungen an den Vater, alte Zeitungsausschnitte voller Lokalpatriotismus über Schappellers möglichen Erfolg, Erzählungen der Enttäuschung über verlorenes Vermögen und möglichen Betrug, die weiterführen in eine bühnenhafte Reinszenierung, in der Schappeller (Gottfried Breitfuß) als Überzeugungstäter Geldgeber und Gleichgesinnte um sich sammelt.

Biopic und Dokumentation: Angela Summereders "Aus dem Nichts" zeichnet das Leben des "Erfinders" Karl Schappeller nach.
Stadtkino Filmverleih

In einem längeren, reportagehaften Epilog begleitet Aus dem Nichts schließlich heutige Physiker und Elektrotechniker, die sich auf Schappellers Theorien stützen und damit an der Verwirklichung ihres eigenen Traums arbeiten.

Wovon die Menschen nach dem Ersten Weltkrieg jedoch in den europäischen Metropolen träumten, war eine neue eine Welt, die wieder zusammenwachsen könnte. So wie die Pariser Weltausstellung von 1900 allen großen Nationen erlaubt hatte, ihren Platz nebeneinander zu finden. Eine Leistungsschau der Attraktionen, die einen friedlichen Wettstreit mittels Erfindungen und neuester Techniken erlaubte.

Durch die Mediengeschichte

Auch die gänzlich aus Archivmaterial kompilierte Dokumentation Mobilisierung der Träume erliegt vom ersten Bild an der Faszination der Massen und eröffnet mit einem Schwenk über eine Menschenmenge. Und obwohl diese und die folgenden Aufnahmen von überfüllten Schiffen, Bahnhöfen, Straßen und Zügen wohl mehr als hundert Jahre alt sind, haftet ihnen dennoch etwas Gegenwärtiges an: Denn zu einem an einen Science-Fiction-Film passenden Score hebt die Stimme der Schauspielerin Tilda Swinton an, um über eine Zeit der totalen Vernetzung zu philosophieren: "To be is to be connected." Das klingt bedeutend, könnte aber auch der Werbeslogan eines Mobilfunkbetreibers sein.

Polyfilm Verleih

Rasantes Tempo

Rasant ist auch das Tempo, das die Filmemacher und -historiker Manu Luksch, Martin Reinhart und Thomas Tode im weiteren Verlauf ihrer Found-Footage-Arbeit anschlagen. Mobilisierung der Träume ist eine Reflexion über Medien, Kommunikation und Technik – und wie alles mit allem zusammenhängt. Von der Erfindung des Telefons gelangen wir zur ersten Übertragung von Bildern, vom Telegrafen zum Radio, vom Film zum Fernsehen und schließlich ins Computerzeitalter: "The device of our times."

Der selbstironische und bisweilen sarkastische Unterton von Swintons Kommentar entspricht dabei den oft amüsanten Stummfilmszenen und Wochenschau-Bildern, die mit Grafiken und Animationen bereichert werden. Mobilisierung der Träume ist in erster Linie eine Mobilisierung seines Materials und ein Parforceritt durch die Mediengeschichte des 20. Jahrhunderts. (Michael Pekler, 10.3.2016)