Als am Montag im kasachischen Baikonur eine russische Trägerrakete wie geplant die Erde verließ, hat ein neues Kapitel der Suche nach außerirdischem Leben begonnen. Denn an Bord der Proton-Rakete ist auch die erste Mission des ExoMars-Programms ins All gestartet, ein Gemeinschaftsprojekt der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) und der Russischen Raumfahrtagentur Roskosmos.

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Der Raketenstart am Montagvormittag verlief erfolgreich.
Foto: Reuters/SHAMIL ZHUMATOV

Der Name dieser milliardenschweren Kooperation ist Programm: ExoMars steht für "Exobiology on Mars", es geht also um nichts Geringeres als die Suche nach Spuren einstigen und heutigen Lebens auf dem Mars. Erstmals seit den 1970er-Jahren wird wieder eine Mission mit diesem Hauptziel unternommen.

Gasjäger und Testlander

Das Projekt ist zweistufig angelegt. Die erste Mission, deren Start nun erfolgte, soll die Sonde Trace Gas Orbiter (TGO) und den kleinen stationären Lander Schiaparelli zum Mars bringen. Geplante Ankunft ist im Oktober, dann trennen sich die Wege: Der Orbiter schwenkt in eine Umlaufbahn um den Mars ein und nimmt Anfang 2017 die wissenschaftliche Arbeit auf. Seine Hauptaufgabe ist, die Zusammensetzung der Atmosphäre zu beobachten und vor allem Gasspuren zu identifizieren, die geologischen oder gar biologischen Ursprungs sein könnten.

Der Minilander, der nach dem italienischen Astronomen und Marsforscher Giovanni Schiaparelli (1835–1910) benannt ist, verfügt zwar ebenfalls über einige wissenschaftliche Instrumente, sein eigentlicher Zweck hat aber weniger Forschungs- als Übungscharakter: Er soll als Testmodul für künftige Landemanöver auf der Marsoberfläche dienen.

Marsrover folgt 2018

Der Exomars-Rover soll Bohrungen in bis zu zwei Meter Tiefe vornehmen.
Foto: Esa

Im zweiten Teil des ExoMars-Programms, dessen Start für 2018 vorgesehen ist, soll nämlich ein Rover samt Landeplattform mit zahlreichen wissenschaftlichen Instrumenten auf den Mars gebracht werden, um dessen Oberfläche gründlich zu untersuchen und Bohrungen vorzunehmen. Diese Mission gilt zudem als Vorbereitung für geplante Rückführungen von Gesteinsproben zur Erde, die Forschern detailliertere Analysen, aber auch zielgerichtete Verbesserungen von Instrumenten erlauben könnten.

Auch dabei soll der Trace Gas Orbiter eine Rolle spielen: Er soll nach Auslaufen seiner Primärmission als Relaisstation eingesetzt werden und Datenübertragungen zwischen Mars und Erde ermöglichen, sagt Paolo Ferri, Leiter des Missionsbetriebs der Esa, zum STANDARD. Er schätzt, dass die ersten Probenrückführungen im kommenden Jahrzehnt möglich sein werden. Doch bis dahin stehen viele andere Aufgaben bevor.

"Wissenschaftlich gesehen macht in der ersten Mission der Orbiter die ganze Arbeit", sagt Ferri. Seine Instrumente sind darauf ausgerichtet, die Vorgänge in der Marsatmosphäre zu analysieren und Methan und andere Spurengase auf biologische und geologische Ursachen hin zu untersuchen. Methan wurde bereits in der Vergangenheit in der Marsatmosphäre aufgespürt, die Quelle ist aber noch unbekannt. Ferri: "Methan überlebt dort nicht lange, es muss also in den letzten Jahren oder Jahrzehnten produziert worden sein." Stammt es aus biologischen Aktivitäten? "Sehr wahrscheinlich ist das nicht, aber auch deswegen fliegen wir dorthin."

Kritische Manöver

Beim Mars angekommen, wird es heikel: Die Sonde muss sich einbremsen, um langsam ihre vorgesehene Umlaufbahn etwa 400 Kilometer über der Marsoberfläche zu erreichen. Doch dazu gibt es nicht ausreichend Treibstoff an Bord, also muss eine sogenannte Atmosphärenbremsung vorgenommen werden. Dabei wird die Flugbahn durch mehrfache Durchquerung der oberen Marsatmosphäre gezielt verändert.

Letzte Vorbereitungen am Landemodul Schiaparelli vor der Verladung.
Foto: ESA - B. Bethge

Währenddessen findet aber noch ein zweites kritisches Manöver statt: die Landung des Testmoduls Schiaparelli. Wenn bis dahin alles klappt, wird es bereits der zweite Versuch der Esa sein, die Marsoberfläche zu erreichen. Strenggenommen hat das zwar schon beim ersten Mal geklappt, allerdings nicht im Sinne der Mission: Ende 2003 koppelte sich die Landeeinheit Beagle 2 von ihrer Muttersonde ab und landete vermutlich wenige Tage später auf dem Mars. Alle Versuche, Kontakt mit Beagle 2 herzustellen, blieben jedoch vergeblich, im Februar 2004 wurde die Mission schließlich für gescheitert erklärt und aufgegeben.

Verbindung ist alles

Video: künstlerische Darstellung des Anflugs auf den Mars.
ESA/ATG medialab

Beagle 2 war bei weitem nicht der erste Misserfolg bei dem Versuch, auf dem Mars zu landen. Die Vorsichtsmaßnahme, nun erst einmal ein kleines Modul zu Testzwecken vorzuschicken, ehe dann der teure Rover mit wichtigen Instrumenten folgt, ist verständlich. "Die Landung auf dem Mars ist eine sehr schwierige Angelegenheit", sagt Ferri. Die Schwerkraft wirkt stark, die Atmosphäre ist dünn und abhängig von meteorologischen Verhältnissen.

Im Gegensatz zu Beagle 2 habe man diesmal aber dafür gesorgt, dass während der gesamten kritischen Phase Kontakt zum Lander besteht. Zu wissen, was passiert, sei alles, so Ferri: "Ob die Einheit dann auf der Oberfläche funktioniert oder nicht, ist eigentlich fast schon nebensächlich. Hauptsache, wir lernen dazu."

Mission mit Startschwierigkeiten

Die Vorlaufzeit für ExoMars reicht weit zurück. Das Programm wurde inhaltlich mehrmals verändert, der Start immer wieder verschoben. Grund dafür waren fehlende finanzielle Mittel: Den Mitgliedsstaaten der Esa wurden die Kosten für das ursprünglich rein europäische Projekt schnell zu hoch, weshalb eine Kooperation mit der US-Raumfahrtbehörde Nasa beschlossen wurde.

Wertvolle Fracht: Trace Gas Orbiter und Schiaparelli werden in Nutzlastverkleidung gepackt.
Foto: ESA - B. Bethge

Doch die Nasa zog sich wegen Budgetkürzungen 2012 wieder zurück, das Projekt drohte abermals zu scheitern. Dann füllte Roskosmos die Lücke: Russland stellt nun für beide Missionen Trägerraketen, einen Teil der Messinstrumente und die Landeplattform für den Marsrover zur Verfügung. Außerdem soll nahe Moskau eine Bodenstation eingerichtet werden. Der Esa-Anteil liegt bei 1,3 Milliarden Euro – für Ferri eine Kooperation auf Augenhöhe.

Den Raketenstart verfolgte der Leiter des Missionsbetriebs im Esa-Kontrollzentrum in Darmstadt mit. Doch die Anspannung hat noch nicht nachgelassen: Nach etwa zehn Stunden Flugzeit soll sich die Sonde von der letzten Raketenstufe trennen, danach gibt es für etwa 80 Minuten kein Signal. "Erst dann können meine Kollegen die Kontrolle übernehmen", sagt Ferri. "Und ich fange wieder an zu atmen." (David Rennert, 14.3.2016)