Wer Deutsch lernen will, muss auch die Erstsprache gut können, sagen Sprachwissenschafter.

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Wien – Nach einem zweiwöchigen Urlaub in Spanien setzt man sich ins Flugzeug. "Wir begrüßen Sie auf dem Flug nach Wien", sagt die Flugbegleiterin ins Mikrofon. "Sie freuen sich, wenn in der AUA etwas auf Deutsch kommt. Endlich wieder etwas, das Sie im Detail verstehen", sagt der Germanist Hans-Jürgen Krumm. So erklärt er das Bedürfnis von Zuwanderern, sich in ihrer Erstsprache zu unterhalten.

Jene Sprache, die man als erste gelernt hat, biete eine "Sicherheitsinsel", sagt der emeritierte Sprachlehrforscher von der Universität Wien. In der Schule können sich Kinder so etwa über das verständigen, was sie auf Deutsch nicht verstanden haben. Zudem sei die Förderung und Wertschätzung der Erstsprache besonders wichtig dafür, dass Flüchtlingskinder überhaupt Deutsch lernen können. Es sei "krimineller Unsinn", wenn nun etwa der Welser Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) Kindergartenkindern fünf Lieder und Gedichte auf Deutsch verordnen will.

Gegen Deutschpflicht

Krumm ist Mitglied des Netzwerk Sprachenrechte. Die Plattform verbindet Sprachwissenschafter, Linguisten, Politologen und Juristen und hat sich zum Ziel gesetzt, für Sprachenrechte einzutreten. Die aktuelle Debatte über eine Deutschpflicht in Schulpausen, wie sie etwa Oberösterreich fordert, lehnen die Wissenschafter ab, wie sie auf einer Pressekonferenz am Freitag betonten.

"Man muss die Kinder dort abholen, wo sie sind", sagt Krumm. Anstatt nur deutsche Lieder zu lernen, könne man die Kinder etwa bitten, ein Lied aus ihrer Heimat mitzubringen. "Sonst schmeiße ich sie ins eiskalte Wasser." Im Kindergarten werde ja auch nicht von einem Tag auf den anderen der Dialekt verboten, selbst wenn das später nicht die Unterrichtssprache sei. Krumm fürchtet, dass die Pflicht zu deutschsprachigen Liedern dazu führen würde, dass Eltern, die nicht gut Deutsch sprechen, sie mit ihren Kindern falsch einüben. "Etwas falsch Gelerntes ist schwer wieder aus dem Kopf zu bekommen."

Verstoß gegen die Menschenrechte

Eine Deutschpflicht in Schulpausen verstoße gegen die Menschenrechtskonvention, sagt Volker Frey, Generalsekretär des Klagsverbands zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern. Artikel 8 sieht das "Recht auf Achtung des Privatlebens" vor. Die vertrauliche Kommunikation mit anderen Menschen gehöre zu diesem Recht, so der Jurist. Während des Schulunterrichts könne aber natürlich eine Verwendung der deutschen Sprache angeordnet werden.

Verena Plutzar vom Fachbereich für Deutsch als Zweitsprache an der Universität Wien sieht in dem Vorhaben Oberösterreichs einen "verzweifelten Versuch, Kinder in ihrem Spracherwerb zu unterstützten". Die Idee gehe aber in die genau entgegengesetzte Richtung. Sprachen würden dann besonders gut gelernt, wenn man positive Erlebnisse damit verbinde. "Wenn Sprachen verboten werden, verhindert das eine solche positive Beziehung."

Auf Türkisch schimpfen

Was aber, wenn Kinder in der Pause Türkisch sprechen und sich andere Mitschüler gepflanzt fühlen? Den Kindern anschließend im Unterricht die Möglichkeit geben, ihre Kollegen zu fragen, worüber sie gesprochen haben, sagt Krumm. "Man muss das Schimpfen verbieten, aber nicht die Sprache." Wichtig sei es, die Sprachen aufzuwerten, damit sie nicht nur benutzt werden, um Dampf abzulassen. Lehrer könnten etwa monatlich einen Sprachentag veranstalten, an dem auch Arabisch, Serbisch oder Türkisch im Unterricht verwendet wird.

Aus der Deutschpflicht in Oberösterreich dürfte jedenfalls ohnehin nichts werden. Die schwarz-blaue Landesregierung hat den Bund in einer Resolution dazu aufgefordert, das Schulunterrichtsgesetz dahingehend zu ändern. Das Bildungsministerium lehnte den Vorschlag bisher jedoch als menschenrechtswidrig ab. (Lisa Kogelnik, 11.3.2016)