
Im Staatsarchiv in Zagreb ist kein Platz mehr, deshalb wurde die Archivierung ausgelagert. Das sorgt nun für Ärger.
Es ist das schönste Gebäude in Zagreb. Wer das im Jugendstil erbaute Staatsarchiv mit den großen Eulen am Dach betritt, kommt in ein Gesamtkunstwerk. Nicht nur die Glasmosaike, die Reliefs an den Wänden, die mamornen Wandvertäfelungen, die eleganten Stiegengeländer, die riesigen Glas-Gold-Luster verzaubern, sondern auch das Originalmobiliar im Lesesaal. Der Sezessionspalast wurde 1913 von dem Architekten Rudolf Lubinski erbaut. Trotz all der Schönheit und des Glanzes hat die Direktorin Vlatka Lemić dunkle Ringe unter ihren Augen. Sie hat ein schreckliches Jahr hinter sich. Als sie 2013 ihren Job annahm, wusste sie noch nicht, dass sie ein schweres Erbe verwalten muss, das ihr noch viel Kummer bereiten würde.
Laut Gesetz müssen die Staatsunternehmen ihre Akten dem Staatsarchiv überlassen, dieses muss die Akten lagern und schützen. Doch wegen akuten Platzmangels im Staatsarchiv wurde im Jahr 2007 eine Änderung gemacht, wonach auch "dritte Personen" – also private Firmen – die Akten verwahren können. Lemić bemerkte, dass diese Verträge mit privaten Firmen nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und teilte dies dem zuständigen Kulturministerium mit. Unter anderem ging es um den Vertrag mit einer Firma namens Pismohrana. Doch ihr Engagement kam die mutige, parteipolitisch unabhängige und professionelle Frau Lemić teuer zu stehen. Denn das Staatsarchiv wird seitdem regelrecht von Inspektoren belagert.
Druck von privaten Firmen
"Als ich 2013 Direktorin wurde, habe ich Rechnungsprüfer eingeladen und nachgefragt, was es mit den Erlaubnissen für private Firmen auf sich hat. Das Kulturministerium hat mitgeteilt, dass diese nicht den Gesetzen entsprechen." Lemić hat diese Verträge mit den privaten Firmen daraufhin gekündigt. Doch dann fingen diese an, Druck zu machen, denn schließlich geht es um viel Geld. Sie drohten unter anderem, Frau Lemić zu klagen.
Lemić erstellte mit einer Kommission eine Expertise, die klären sollte, ob die privaten Firmen überhaupt die Voraussetzungen für eine fachgerechte Archivierung haben. Die Kommission kam zur Einschätzung, dass dies nicht der Fall sei. "Ich wurde danach per Mail und per Telefon bedroht, meine Meinung zu ändern. Mir wurde angekündigt, dass ich 'kaputtgemacht' werde. Es wurde behauptet, dass ich hunderte Liebhaber habe und dass meine Doktorthese gefälscht ist."
Archivierung in Armeebaracken
Auf Anfrage des STANDARD beim Kulturministerium bestätigt dieses, dass es seit 2007 eine Regelung gibt, wonach die Lagerung auch außerhalb des Staatsarchivs möglich sei. Das Problem sei aber entstanden, als das Staatsarchiv privaten Firmen die Erlaubnis erteilt habe, auch Archivierungen vorzunehmen. Das Kulturministerium kommt zu dem Schluss, dass Archivmaterial nicht mehr privaten Firmen anvertraut werden darf. Man habe nun damit begonnen, alte Armeebaracken in der Nähe von Zagreb für die Archivierung zu restaurieren. Was mit den privaten Firmen, die nach wie vor die Unterlagen archivieren, geschehen soll, ist nach wie vor ungeklärt.
"Einerseits kostet es aber den Staat viel Geld, diese privaten Firmen zu bezahlen, andererseits sind diese Firmen gar nicht dazu in der Lage, die Archivierung professionell durchzuführen", sagt Lemić zum STANDARD. Bei manchen dieser Firmen könne man zudem nicht einmal herausfinden, wer eigentlich der Besitzer ist. Pismohrana ist eine von zehn Firmen, die so eine Erlaubnis des Staatsarchivs für die Archivierung bekommen haben. Laut dem STANDARD vorliegenden Unterlagen hat Pismohrana unter anderem Material über die Kinderklinik in Srebrnjak, das Umweltministerium, die Elektrizitätsgesellschaft HEP in Zagreb, den kroatischen Gesundheitsversicherungsfonds und kroatische Autobahnen in Verwahrung. Die Erlaubnis für die Archivierung wurde vom Staatsarchiv im Jahr 2011 erteilt.
Steuerfahndung ermittelt
Pismohrana ist mittlerweile auch in anderen Zusammenhängen in Medien aufgetaucht. Denn die Steuerfahndung ist einigen anderen Firmen auf der Spur, die angeben, in Goldhandel involviert zu sein. Es besteht aber der Verdacht, dass diese Firmen sich gegenseitig nur Scheinrechnungen ausstellen und selbst fiktiv sind, um die Mehrwertsteuer für ihre Geschäfte vom Staat zurückzufordern. Die Konsequenz: Steuergeld wird an Schurken verschenkt. Die Zeitung "Jutarnji list" zählte im September zahlreiche Firmen auf, die dieses "Geschäftsmodell" verfolgten. Darunter eine namens Insula Brač. Die soll auch einen Vertrag mit Pismohrana unterhalten haben, um Regale zu liefern. Insgesamt geht es bei den Scheinfirmen um viel Geld. So soll die Firma Gold Box um die Rückzahlung von 28,7 Millionen Kuna (3,7 Millionen Euro) Mehrwertsteuer angesucht haben.
Zweitens wurde im Zusammenhang mit Pismohrana immer wieder der Name des Bruders des ehemaligen Premiers Zoran Milanović, Krešimir Milanović, genannt. Zwei- bis dreimal, erzählt auch Lemić, war Kresimir Milanović mit den Leuten von Pismohrana im Staatsarchiv. Kresimir Milanović behauptet, dass er nichts mit Pismohrana zu tun habe.
Keine Rückmeldung mehr
Trotz mehrmaliger Anfragen des STANDARD wollte Pismohrana keine Stellungnahme zu ihrem Verhältnis zu Insula Brač und zu Krešimir Milanović abgeben und erteilte keine Auskunft darüber, wie viel Geld man durch die Archivierungsaufträge bekommen habe. "Pismohrana kommentiert die Lügen nicht, die in den Medien erscheinen", schrieb Ivan Baković dem STANDARD im Oktober. Danach wurde keine Mail mehr beantwortet. (Adelheid Wölfl aus Zagreb, 12.3.2016)