Foto: Fischer

Während die Forschung in der Schmerztherapie jede Menge Fortschritte macht, werden die Zugangshürden für betroffene Patienten zu adäquaten Therapien immer höher. Darauf machten Mediziner im Vorfeld des 20. Wiener Schmerzsymposiums aufmerksam.

Drei Viertel der rund 1,5 Millionen Menschen in Österreich, die unter chronischen Schmerzen leiden, haben keine zufriedenstellende Versorgung. Das kritisierte der Leiter der Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerztherapie am Wiener AKH, Hans Georg Kress. "Die Dienste werden flächendeckend zurückgebaut", sagte der Experte.

"Elf von 50 Schmerzambulanzen wurden in den letzten drei bis fünf Jahren geschlossen. Manche Ambulanzen sind nur an ein oder zwei Tagen pro Woche geöffnet und sind Ein-Mann- oder Ein-Frau-Unternehmen." In Niederösterreich, dem flächenmäßig größten Bundesland, sei die Zahl dieser Ambulanzen von fünf auf zwei reduziert worden.

Chefarzt als Hürde

Die Mängel in der Versorgung von Schmerzpatienten seien auf mehrere Faktoren zurückzuführen: Dazu zählten die Reduktion der Ärztearbeitszeit in den Spitälern, Medikamentenkosten und als prinzipielles Problem das Fehlen eines politischen Auftrags für eine flächendeckende Schmerzversorgung, sagte der Tagungspräsident. "Teurere Schmerzmedikamente sind kaum zugänglich", kritisierte Kress, da alle modernen Medikamente nur via chefärztliche Genehmigung zu erhalten seien – außer, es handle sich um Generika, die frei verfügbar seien.

Ob ein Patient mit chronischen Schmerzen die richtige Therapie bekommt, "ist dem Zufall überlassen", sagte der Spezialist. Im Gegensatz zu skandinavischen Ländern, den Niederlanden oder Großbritannien gibt es in Österreich keinen festgelegten "Patientenpfad". Das ist eine Art Handlungsanweisung, nach der der erstbehandelnde Arzt den Patienten im Fall eines ausbleibenden Therapieerfolgs nach einer definierten Zeit an einen Facharzt verweist, der seinerseits eine dritte "Instanz" einschalten kann."In Österreich ist das dem Zufall überlassen.

Da geht es für den Patienten um die Frage: 'Wen kenne ich? Kenne ich vielleicht einen Primar, der mir helfen kann?' Sonst bleibe ich im Nirwana gefangen", erklärte Kress.

Diskussion um Opioide

Ein Thema des am Samstag stattfindenden Schmerzsymposiums wird das Autofahren unter dem Einfluss von Opioid-Schmerzmitteln sein. Eine generelle Antwort darauf gebe es nicht, sagte ÖAMTC-Jurist Martin Hoffer. Laut Kress ist es nämlich so, dass Studien zur Bewertung des Opioid-Effekts zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind, je nachdem, welche Wirkstoffe mit welchen Methoden untersucht wurden und welche Patienten man auswählte.

Die Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit wird auch von allenfalls genommenen weiteren Medikamenten beeinflusst. Die Straßenverkehrsordnung sieht vor, dass Lenker in einer Verfassung sind, in der sie das Fahrzeug beherrschen und die Rechtsvorschriften zu befolgen. Für Juristen und Amtsärzte der Führerscheinbehörde sei es oft eine Gratwanderung zu entscheiden, ob Schmerzpatienten, die starke Opioide nehmen, Autofahren dürfen, erklärte Hoffer.

Behörden haben nach seinen Angaben höchst unterschiedliche Entscheidungen getroffen. Als Orientierungshilfe haben Verkehr- und Gesundheitsministerium einen Kriterienkatalog erstellt. Gefordert sind nicht allein Juristen und Mediziner, sondern auch die Autofahrer: Die Letztverantwortung, ob man sich ans Steuer setzt, liegt beim Betroffenen selbst, betonte Hoffer. (APA, 11.3.2016)