Wien/Wolfsburg – Der VW-Skandal um manipulierte Abgaswerte ist für Anwälte ein großes Geschäft. Sie werben nicht nur um Autobesitzer, die eventuell Schadenersatz verlangen könnten, sondern auch um Investoren. In Europa findet eine Stiftungslösung in den Niederlanden breite Unterstützung von Konsumenten- und Anlegerschützern. Initiiert hat dies ein Wiener Anwalt.

Allein beim österreichischen Verein für Konsumenteninformation (VKI) haben sich bereits rund 60.000 VW-Besitzer gemeldet. 50.000 von ihnen haben ihr OK gegeben, dass die Konsumentenschützer ihre Daten an die niederländische "Stichting" weiterleiten. Zusätzlich haben sich 20.000 Autohalter direkt bei der Stiftung angemeldet. Der Großteil stammt aus Deutschland, aber auch Autobesitzer aus den Niederlanden und Polen sind dabei, sagt der Wiener Rechtsvertreter Eric Breiteneder.

Weltweit sind elf Millionen Fahrzeuge der Konzernmarken VW, Audi und Porsche mit einer verbotenen Software ausgestattet, die die Abgaswerte auf dem Prüfstand herunterregelt. Allein in Deutschland sind 2,4 Millionen Autos betroffen, in Österreich 388.000.

Günstige Messverfahren

Anwalt Breiteneder wirbt für das niederländische Modell. Anders als in Österreich und den meisten anderen EU-Ländern gibt es dort kostengünstige Massenverfahren. Das System ist zudem sehr flexibel – ein Generalvergleich ist genauso möglich wie eine Klage.

Im Fall VW streben die Stiftungsvertreter zuerst einen Vergleich an. Allerdings kommt von Volkswagen bisher wenig. Bereits im Oktober 2015 hat die "Stichting" den Wolfsburger Konzern angeschrieben und auch für europäische Autohalter ein sogenanntes Goodwill-Package in Höhe von 1.000 Dollar gefordert, wie es die US-amerikanischen und kanadischen VW-Fahrer bekommen. Die europäischen Anwälte sehen nicht ein, warum es hier eine Ungleichbehandlung geben soll.

Weiters verlangen die Stiftungsvertreter einen Verjährungsverzicht und einen Schuldbeitritt der Volkswagen AG an die Seite der Verkäufer. "Es gibt das Risiko, dass die Händler das nicht durchstehen", so Breiteneder. Wenn Autohalter nämlich ihren Händler erfolgreich klagen, könnte sich dieser bei der VW AG schadlos halten. Außerdem tickt die Verjährungsuhr: Schadenersatzklagen müssen drei Jahre ab "Kenntnis von Schaden und Schädiger" – in dem Fall ab Bekanntwerden der Manipulationen – eingebracht werden, Irrtumsanfechtungen drei Jahre ab Kauf (Vertragsunterzeichnung).

Noch keine Reaktion

VW hat darauf noch nicht konkret reagiert. Eine vom Konzern beauftragte Anwaltskanzlei habe bisher lediglich geschrieben, dass man das Schreiben erhalten habe und sich wieder melden werde. Das sei aber noch nicht passiert, sagt Breiteneder.

Die niederländische Stiftung will jetzt in ganz Europa verschiedene von den Manipulationen betroffene Fahrzeuge von bekannten Testanstalten überprüfen lassen – vor und nach der Fahrt in die Werkstatt. "In der Schweiz zum Beispiel lassen wir zwei Autos von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) testen", sagt Breiteneder. Auch in Italien und den Niederlanden sind derartige Aktionen geplant – "um objektiv festzustellen, was sich verändert hat". Derartige Aktionen sind relativ kostspielig, können zigtausende Euro kosten.

Kein Risiko

Die Teilnahme an der Sammelaktion in den Niederlanden ist für Autohalter kosten- und risikolos. Vorgesehen ist, dass die Betroffenen – so es einen Schaden gibt – diesen zu 100 Prozent ausbezahlt bekommen. "Nach dem niederländischen Modell hat die Kosten der Stiftung grundsätzlich der Gegner zu tragen", so Breiteneder.

Sollte VW das nicht zahlen wollen, würde der Financier, eine große New Yorker Anwaltskanzlei, ein Erfolgshonorar von 18 Prozent kassieren. Allerdings hätten die Fahrzeughalter dann immer noch die Möglichkeit, den Vergleich abzulehnen. Die auf Massenverfahren spezialisierte Kanzlei Labaton Sucharow macht für beide der Volkswagen-Stiftungen einen einstelligen Millionenbetrag locker. In den USA ist es üblich, dass Anwaltskanzleien sogenannte Class Actions auch selbst finanzieren.

Stiftung für Investoren

Für die zweite Volkswagen-Stiftung in den Niederlanden rührt Anwalt Breiteneder ebenfalls die Werbetrommel. Sie richtet sich an VW-Investoren. Rund 100 Großanleger mit einem Investitionsvolumen rund mehr als 200 Mio. Euro haben sich bereits auf der Plattform registriert. "Darunter sind Pensionsfonds aus Norwegen, Deutschland und den USA", sagt Breiteneder.

Dieser Tage will die Stiftung weitere 19.500 Investoren anschreiben. "In den USA gibt es eigene Listen, in die sich Investoren eintragen, damit sie informiert werden, wenn es irgendwo eine Class Action gibt", so der Rechtsvertreter. Die Stiftung hat sich bereits prominente Fürsprecher ins Boot geholt. "Die DSW, die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, und Better Finance, die EU-Dachorganisation der Investorenschützer, unterstützen uns", so Breiteneder. Im Aufsichtsrat der Stiftung sitzen etwa der deutsche Börsenexperte Wilfried Hübscher und Roger Ganser, früher für die US-Finanzaufsicht SEC tätig.

Gespräche mit Umweltbehörde

In den lange festgefahrenen Gesprächen zwischen Volkswagen und der kalifornischen Umweltbehörde CARB kommt einem Medienbericht zufolge Bewegung. Die Behörde sei zu der Erkenntnis gelangt, dass in der VW-Abgasaffäre eine komplette Umrüstung aller knapp 600.000 betroffenen Autos in den USA nicht möglich sei, so die "Welt am Sonntag" unter Verweis auf interne Aussagen eines CARB-Vertreters.

"Unser Ziel war es, dass alle Fahrzeuge umgerüstet und in einen gesetzeskonformen Zustand versetzt werden. Unglücklicherweise ist das nicht möglich." Daher überlege die Behörde nun, ob man jene Autos im Straßenverkehr belassen könne, die mehr als die erlaubten Schadstoffe ausstießen. Der Autobauer könnte dann im Gegenzug für die Emissionen über dem zulässigen Maß pro Auto zahlen. (APA, 13.3.2016)