Nach Floh, Orlando di Castello und Hutter versucht sich Austro-Schweizer Patrick Friedrich an Wolfpassing

Das Achtel für Dreisechzig, das werden die Wolfpassinger nicht schlucken: Sonntagnachmittag, im gerade wieder einmal neu eröffneten Gasthaus Figl darf sich der neue Inhaber des Eckwirtshauses an der engsten Stelle des Dorfs am Rande des Tullnerfelds anhören, was er falsch macht. Von Menschen aus diesem kleinen Wolfpassing, die schon ein paar dieser (übrigens ansehnlichen) Achtel probiert haben. Der neue Chef heißt Patrick Friedrich, kam mit österreichischen Wurzeln, wie man so sagt, in Bern auf die Welt. Er lernte Koch im Kantonsspital Basel Stadt. Und er hat das Tullnerfeld schon ganz gut kennengelernt.

Floh und Co

Eineinhalb Orte weiter hat Friedrich 2004 und 2005 beim Floh in Langenlebarn gekocht, dann war er Souschef im Orlando di Castello und schließlich als Küchenchef mit Nigls Gasthaus Hutter über Krems 2013 "Einsteiger des Jahres" bei der großen onkelländischen Wirtshauspromotionsaktion "Top-Wirt des Jahres". Die Aussicht dort in Krems war (für große Menschen) um Welten besser als in Wolfpassing. Beim Essen würde ich eher für den Friedrich von März 2016 stimmen, wie ich ihn gerade erstmals als Wirtshausbetreiber erlebt habe. Aber vielleicht hatten er oder ich oder wir beide an diesem gewittrigen Sommersonntag des Jahres 2012 keinen allzu guten Tag, als ich im Hutter einfiel – nachzulesen hier.

L'Amur est un poisson rebelle

Weil Schmeck's-Userinnen und User nach neuesten Studien ungern beim Schlechtesten anfangen, will ich diese schöne katholische Esstradition gleich fortsetzen: Am wenigsten gefiel mir in Friedrichs Figl – neben dem noch immer ein bisschen kalten und noch immer ziemlich hässlichen zweiten Gastzimmer – der panierte Amur-Karpfen.

Schön daran war, dass er nicht so hundstrocken ausfiel, wie panierte Karpfen da und dort enden – aber natürlich nicht bei einem Profi wie Friedrich. Ein bisschen weniger cremig hätt' ich mir die Konsistenz des Fisches in der durchaus vernünftigen Panier halt vorgestellt. Aber: Ich hab mir trotzdem Alufolie für mein Stück zuviel geben lassen. Mir ist ja nichts zu peinlich, und vielleicht wird Amur beim Erkalten doch noch interessant.

Foto: Harald Fidler

Linsengericht

Geschickt zusammengestellt scheint mir die Karte für einen Neustart in Wolfpassing: Größtenteils Klassiker auf den ersten Blick, von der Fritattensuppe und der Erdäpfelsuppe über Erdäpfelgulasch, Grammelknödel (die hier besondere Tradition haben), Sau-Wiener, Wurzelfleisch und die immer wieder beliebten geschmorten Rinderbackerln, Marillenpalas, weißes Schokomousse.

Wie ich den Schweinsbraten übersehen konnte und damit nicht bestellen, ist mir ein Rätsel. Dann hätt' ich mich nicht einmal über den weichen Amur beschweren können. Und von wegen beschweren: Da leidet der Fidler auf ihm ungewohnt hohem Niveau. Ab jetzt – der Reihe nach:

Die Wunderbare gegenüber will unbedingt bald wieder nach Wolfpassing, "liegt doch eh auf dem Weg", fügt sie an, die ich seit Monaten nicht ins Tullnerfeld bewegen darf. Die neue Begeisterung für das Flachland und seine Straßenengen hat zumindest drei Gründe, sagt sie. Der erste: Linsensalat mit Geselchtem und Ofenparadeisern – hier im Bild. Wär sie nicht schneller gewesen, hätt ich mich darüber gefreut.

Foto: Harald Fidler

Buchweizen-Marinotte

Meine Zweitplatzierung für den ersten Gang kann durchaus mithalten – schon wegen des schönen Buchweizens und der pointiert marinierten Karotten. Und der Schaffrischkäse als Hauptdarsteller war sehr okay.

Foto: Harald Fidler

Figl als veganer Dinkel

Gasthaus-Figls gibt es in Tullnerfeld und Umgebung ja wie Schollen im Urmeer, wobei der politisch auffällige Leopold unter ihnen laut kundigen Zeitzeugen vor allem den Nährer in Kapelln angesteuert haben soll.

Neu in diesem wieder neuen Figl, und durchaus überraschend: mein Favorit ist ein fleischfreier, ja vermutlich gar veganer Gang. Nämlich: Dinkelrisotto. Aber hallo! Beseelt von Röst-(und keineswegs Rösti)-Aromen, Schwarzwurzeln, zielsicher eingesetzten Haselnüssen und auch noch wirklich knackig-schönem Vogerlsalat.

Der Dinkelrisotto war ein weiterer Grund für die neue Landlust der Wunderbaren. Nur der sonst dem zarten Getreide gar nicht abgeneigte Wunderbare zwischen uns wollte lieber noch eine Portion (Wolfpassing angemessene) Petersilerdäpfel.

Foto: Harald Fidler

Landlust? Mais oui!

Die Wunderbare indes hat ihren Hauptgrund für gelegentliche Stadtflucht nun vor sich: Paprikapolenta. Wenn man von Paprikapolenta träumt, dann wohl von dieser. Sagt sie mit doch recht verklärtem Blick. Und nur, weil sie noch ein Dessert im Auge hat, man muss sich das jetzt nicht bildlich vorstellen, schiebt sie mir den halbvollen Teller herüber.

Das gibt mir die Gelegenheit, das letzte Stück meines ein bisserl hatscherten Amur auf ein Alufolienmäntelchen vorzubereiten. Und mich ganz auf das Maishendl zu konzentrieren, das die tatsächlich sehr gelungene Paprikapolenta überragt. Ich bestelle selten Huhn, geb ich zu, aber das ist eines der saftigsten und besten, die ich in einem Wirtshaus verputzt habe.

Foto: Harald Fidler

Die Zwetschke!

Ich käme auch nie auf die Idee, Topfennockerl zu bestellen (eher schon Marillenpalas, aber Palatschinken eher nur in Zistersdorf). Desserts fallen schließlich in die Zuständigkeit der Wunderbaren.

Herr Friedrich vermag sie zu überraschen: Zwetschkenkompott, sagt sie, ist ja nicht so ihre Leibspeis. Aber diese Zwetschken begeisterten sie Mir schienen die dunklen Früchtchen nicht kompottiert, vielmehr unter Wahrung ihrer fruchtigen Festigkeit geröstet, aber was weiß ich schon. Und die Topfennockerl also solche? Sehr gut, weil nicht so süß, sagt sie. Ich würde ihr – auch hier – niemals widersprechen.

Schank er

Den sonntagfrühnachmittags schon etwas weichen Wolfpassinger konnte Friedrich übrigens beruhigen: Der nun wieder neue Figl hat auch, wenn ich mich nicht verhört habe, Wein für 2,10 und, aber da bin ich noch unsicherer, 1,60 Euro auf der Karte. Und wenn das nicht reicht, ergänze ich, kann der Tullnerfelder Preisleistungstrinker ja ein Stückchen den Hügel gleich gegenüber hinaufwackeln.

Dort wird Wolfpassing gleich und überraschend schöner als an der Wiener Straße, und es hält den einen oder anderen Heurigen parat – wie den Hüpfel, den ich schon Ewigkeiten kenne und doch noch nie bei ihm einkehrte. Ich vermute aber, unhöflich, wie ich vor allem gegenüber Freunden gerne bin: Es wird dort nicht so schön gekocht wie in diesen Tagen und hoffentlich noch eine ganze Weile an der engsten Stelle von Wolfpassing. (Harald Fidler, 15.3.2016)

Patrick Friedrich im Figl (Link) in Wolfpassing

Sechs Gänge, viel Saft, wenig Wein und Kaffee: 82,90 Euro

Foto: Harald Fidler