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Dem Frauchen ausgeliefert: Hund mit Halsschmuck.

Foto: EPA/Vinai Dithajohn

"Einfach Magnetstab ins Wasser halten, umrühren und geballte Energie auskosten!", verkündet eine Broschüre, die im Kremser Einkaufszentrum kostenlos verteilt wird. Ihr esoterischer Inhalt zeigt sich erst auf den zweiten Blick. Jede Menge Models präsentieren wertvollen – oder zumindest wertvoll aussehenden – Schmuck. Das Besondere daran: Magnete (die "Superkraft aus der Natur"), die in all diesen Accessoires enthalten sind.

"Für unsere Produkte verwenden wir ausschließlich Neodym-Magnete mit mindestens 1.200 Gauss: Sie zählen zu den stärksten und haltbarsten Magneten der Welt", wird im Heft erklärt. Was genau der Zweck dieser stark magnetischen Schmuckstücke ist, bleibt dagegen eher vage. Sie sollen alles irgendwie besser machen und werden angeblich von Menschen geschätzt, "die im Alltag gefordert sind". Zur Auswahl gibt es Armbänder, Halsketten, Ringe und Broschen in allen Formen und Farben, aber immer mit Magnet. Als Testimonial werben immerhin die früheren Ski-Profis Christian Neureuther und Rosi Mittermaier, denen "eine gesunde Lebensführung wichtig ist", weswegen Frau Mittermaier auch unterwegs immer einen Magnetstab für ihr Wasser dabei hat.

Einzahlen und einsteigen

Für Männer gibt es Uhren und Anhänger im Totenkopfdesign, und selbst Kinder und Haustiere können aus einem speziellen Angebot an magnetischen Accessoires wählen. Wer möchte, kann sich sogar magnetisierte Sitzkissen oder Einlegesohlen kaufen. Die werden besonders für den Arbeitsplatz empfohlen: "Dadurch steigert sich die Produktivität!" Und ganz am Ende der Broschüre kommt der Teil, der sie – zumindest für den Zweck dieser Kolumne– so richtig interessant macht.

"Geld verdienen, ganz nebenbei" ist dort zu lesen, und man verspricht "attraktive Verdienstmöglichkeiten, freie Zeiteinteilung, jede Menge Spaß". Was man dafür tun muss: "Berater" werden und den Magnetschmuck selbst verkaufen. Noch eindringlicher wird dieser Geschäftsbereich auf der Homepage der Schmuckhändler präsentiert. Ziel der Firma ist es, Menschen dabei zu unterstützen, "gut auszusehen, sich gut zu fühlen und ein tolles Zusatzeinkommen zu verdienen". Und die Möglichkeit, sich dieses tolle Einkommen zu verdienen, wird ausführlich beworben.

Ein paar Investitionen sind allerdings nötig: Das empfohlene "Premium-Set" ist schon für 848,40 Euro erhältlich. Schafft man es, alle Schmuckstücke zu verkaufen, hat man 1.212,50 Euro eingenommen und übrig bleiben 363,30 Euro für den Verkäufer (eine Kaution von 199 Euro muss allerdings auch noch hinterlegt werden). Verkauft man nichts, hat man Pech gehabt.

Kurse statt Produkte

"Begeistern Sie Freunde, Bekannte und Kollegen", rät das Unternehmen. Und wenn das Umfeld schon komplett mit Schmuck ausgestattet ist, was dann? Ganz einfach: Anstatt die Verwandtschaft weiter mit Magnet-Accessoires zu nerven, kann man sie auch direkt als Berater anwerben: "Sie können nebenbei neue Berater gewinnen und sich ein eigenes Team aufbauen. Dann sind Sie auch an jedem Verkauf Ihrer Teammitglieder finanziell beteiligt. So profitieren Sie zusätzlich von einem passiven Einkommen."

So ein Netzwerkmarketing beziehungsweise Multi-Level-Marketing samt Direktvertrieb ist natürlich nicht neu und existiert auch in vielen anderen Bereichen, die mit der Esoterikbranche gar nichts zu tun haben. Aber gerade in der Esoterik steht die "Ausbildung" oft im Zentrum des Angebots. Statt Produkten oder Dienstleistungen verkauft man lieber teure Seminare, Kurse und Zertifikate.

Zertifizierte Reinkarnationstherapeuten

Ein "Energetisierungsabend" in der niederösterreichischen "Praxis Lebenswandel" bringt dem Vortragenden nur Einnahmen von 45 Euro pro Person (wie ich einer weiteren Broschüre entnehme, die ich erhalten habe). Eine komplette Channel-Ausbildung ("Die TeilnehmerInnen bekommen Informationen und Werkzeuge, die einen äußerst förderlichen und hilfreichen Umgang mit Wesen der Geistigen Welt ermöglichen und sicherstellen") bringt dagegen 560 Euro, dafür kriegen die Absolventen ein "Zertifikat" und können selbst beginnen, mit entsprechenden Kursen und Ausbildungen Geld zu verdienen (natürlich nur, sofern sich ausreichend Kundschaft finden lässt).

Aber je mehr "Zertifikate" man ansammelt, desto beeindruckender erscheint der Lebenslauf. Dazu muss man nur einen Blick auf die Internetseiten werfen, auf denen Energetiker, Heiler, Schamanen et cetera ihre Dienste anbieten. So gut wie jeder dort hat eine lange Liste an Zertifikaten und Titeln vorzuweisen, und man findet ausgebildete "Experten" für alles, was man sich vorstellen kann (und vieles, was man sich gar nicht vorstellen möchte). Hier eine kleine Auswahl aus einer kurzen Internetrecherche:

  • Light-Grids-Energiearbeit nach Damien Wynne
  • Reinkarnationstherapie Münchner Schule
  • The Work – Byron Katie
  • Biodynamische Regenerative Integrations-Technik
  • Merkaba – Lichtkörperaktivierung
  • Genius Brain Kinesiologie
  • Engel-Therapeut
  • PranicHealing® Practioner
  • Bio-Energietherapeut

Lichtpioniere und Gotteskundschafter

Diese Liste könnte man beliebig lange fortsetzen. Genauso wie die Liste mit all den beeindruckend klingenden Titeln, die man sich mit den Kursen in der Esoterikbranche erarbeiten kann. Während man an der Universität nur ein schnöder "Doktor" werden kann, hat man hier die Möglichkeit, mit der passenden Ausbildung "Elohim-Gotteskundschafterin der Lichtwelten", "Lichtpionier des Golden-Blauen Lichtes", "Heiler der Syronfrequenz", "Verkünder der Seelenweisheiten" oder gar "Magier der Neuen Zeit" zu werden.

Wenn die klassischen Bildungseinrichtungen da nicht den Anschluss verlieren wollen, sollten sie rechtzeitig darauf reagieren. Wer weiß, wie viele neue Studierende man gewinnen könnte, wenn man die Ausbildung nicht als "Doktor der Naturwissenschaften" abschließen würde, sondern als "Magier der Neuen Zeit". (Florian Freistetter, 15.3.2016)