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Ein Grüner auf Stimmenfang im Daimler-und-Porsche-Land: Winfried Kretschmann.

Foto: Reuters / Wolfgang Rattay

Stuttgart/Berlin – Einer, der meist bedächtig ist, freut sich nach einem historischen Wahlsieg dann so: "Der grüne Teppich ist gelandet in der Mitte der Gesellschaft."

Das sagte der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, auf der Wahlparty seiner Partei. Es ist die Fortsetzung seiner Warnungen im Wahlkampf, als die Umfragewerte immer höher stiegen: "Wir bleiben auf dem Teppich, auch wenn er gerade zu fliegen scheint."

Teppich und fliegen, abheben und luftige Höhen – das sind eigentlich nicht die Begriffe, die man mit Kretschmann verbindet. Er gilt als Sinnbild für die gegenteilige Richtung: erdverbunden und mit viel Bodenhaftung. Seine Karriere steht aber auch für den Wandel der deutschen Partei von einer "Anti-Parteien-Partei", die die Grünen anfangs sein wollten, bis zur Lust an der Macht.

Über die Friedensbewegung zur Ökopartei

Während seines Lehramtsstudiums (Biologie, Chemie, Ethik) war Kretschmann zunächst in kommunistischen Hochschulgruppen aktiv. Zu den Grünen kam er über die Friedensbewegung, der heute 67-Jährige gehörte im "Ländle" zu den Gründungsmitgliedern der Ökopartei. 5,3 Prozent schaffte er im Jahr 1980, als er zum ersten Mal in den Landtag einzog.

Danach arbeitet sich der "Kretsch" immer weiter nach oben, bis er 2011 in die Stuttgarter Staatskanzlei kam. "Ich hätte es fast nicht für möglich gehalten", räumte Exaußenminister Joschka Fischer bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit Kretschmann ein und fügte hinzu: "Er passt einfach zum Land." Kretsch mann war vom ersten Tag an Landesvater: grün, aber wertkonservativ. Ein Verfechter der Energiewende, privat im Schützenverein und am Sonntag in der Kirche.

Superrealo mit dem Bürstenhaarschnitt

Und das mit den Autos war im Daimler-und-Porsche-Land auch schnell gelöst. Zunächst meinte Kretschmann noch, man brauche eigentlich weniger Autos, korrigierte sich aber sofort und vertritt nun die Linie, man solle viele umweltfreundliche Fahrzeuge herstellen.

Man müsse sich fragen, was für das Land und seine Menschen wichtig sei, und "darf nicht immer alles durch die Parteibrille sehen", sagt der Superrealo zum Leidwesen der Parteilinken. Aber die haben im Moment nicht besonders viel zu melden. Der schwäbelnde Kretschmann mit seinem grauen Bürstenhaarschnitt und den Gesundheitsschuhen, der seit 40 Jahren mit der Mutter der drei gemeinsamen Kinder verheiratet ist, ist zur Kultfigur geworden. (Birgit Baumann, 14.3.2016)