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Handzettel müssen nicht die Wirklichkeit abbilden. Die Tigermücke feiert in Rio fröhliche Urständ.

Foto: REUTERS/Sergio Moraes

Die überall verkündete Parole heißt "Zero Zika". Handzettel mit einer durchgestrichenen Mücke kleben inzwischen an vielen Wänden von Supermärkten, Bushaltestellen und Nagelstudios. 71.000 Soldaten sind allein im Bundesstaat Rio de Janeiro gegen die Stechmücke Aedes aegypti im Einsatz, die das Zika-Virus überträgt. Sie verteilen Flyer mit der aufmunternden Botschaft von Präsidentin Dilma Rousseff: "Eine Mücke ist nicht stärker als ein ganzes Land." Organisatoren und Politiker wollen nicht zulassen, dass die Zika-Epidemie einen Schatten über Olympia wirft. Doch Brasilien steht bereits mit dem Rücken zur Wand. Gesundheitsminister Marcelo Castro erklärte den "Krieg gegen die Mücke" sogar schon für verloren.

Für die Cariocas, die Bewohner Rios, bedeutet Zika ein Leben in Angst. Mehr als 6.000 Infektionen wurden in diesem Jahr in der Stadt gezählt, landesweit können es nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis zu 1,5 Millionen sein. Dass die Infektion von Schwangeren zur Schädigungen der Föten führen kann, ist sehr wahrscheinlich.

Apotheken kommen mit Bestellungen nicht nach

Ein Schutz vor der Mücke, die auch Dengue- und Chikungunyafieber überträgt, ist schwierig. Besonders jetzt, in den feuchten Sommermonaten, hat sie sich massenhaft vermehrt. Apotheken kommen mit der Bestellung von Insektenschutzmitteln nicht nach. Der Kondomabsatz stieg um 50 Prozent, als bekannt wurde, dass das Virus durch Sexualkontakt übertragbar ist.

Die Mücke hat sich wunderbar angepasst an chaotische, unkontrolliert gewachsene Großstädte wie Rio. "Die Städte sind überfüllt, es gibt keine Abwassersysteme und keine funktionierende Müllabfuhr", sagt Infektiologe Artur Timerman. Für die Tigermücke seien das ideale Lebensbedingungen. Von öffentlichkeitswirksamen Sprühaktionen mit Insektiziden hält er nicht viel. "Fast alle Insekten haben gegen die Mittel Resistenzen entwickelt." Die Menschen müssten über die Gewohnheiten der Mücke aufgeklärt werden. Das sei am wichtigsten.

Symbolik statt Aufklärung

Doch statt wirklicher Aufklärung der zumeist ärmeren Bevölkerung setzt die Stadtverwaltung wie so oft auf Symbolik. Während des Karnevals schickte sie Mitarbeiter in gelben Schutzanzügen mit Sprühkanonen durch die Massen, um mögliche Insektenbrutstätten einzunebeln. In viele der mehr als 300 Favelas wagen sich die Gesundheitsmitarbeiter aber ohnehin nicht. Denn trotz offizieller Befriedung geschieht dort nichts ohne Einverständnis der Drogenbarone. Aber genau dort, über offenen Kanälen und auf illegalen Müllhalden, tummeln sich die Moskitos.

Am meisten allerdings sind die Stadtoberen über die Negativschlagzeilen im Ausland und mögliche Olympia-Absagen besorgt. Schon jetzt befürchten sie einen Einbruch des Tourismus. Das US-Team stellte seinen Athleten die Teilnahme an den Spielen frei. Andere Sportnationen zogen nach. Australiens Team zog einen Insektenschutzmittelhersteller als Sponsor an Land.

Zika werde nicht die Realisierung der Olympischen Spiele beeinflussen, verspricht Rousseff immer wieder. Auch das Organisationskomitee lässt keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit. João Grangeiro, medizinischer Leiter beim OK, versichert, dass schon jetzt alle möglichen Brutstätten auf dem Olympiagelände ausgerottet würden. "Und wenn in den kommenden Monaten die Trockenzeit beginnt, werden die Infektionen drastisch zurückgehen", sagt er. Die Organisatoren sehen den Winter als engsten Verbündeten. Doch dieser kann im tropischen Rio auch heiß und feucht sein. (Susann Kreutzmann, 15.3.2016)