Wien – Den kriminellen Energien der Asylwerber hat sich der Nationalrat am Mittwochmorgen gewidmet – und zwar auf Wunsch des Teams Stronach. Kurz nach neun Uhr rief Klubchef Robert Lugar angesichts der Flüchtlingspolitik der Regierung den "Sicherheitsnotstand" für Österreich aus. Dazu bot er ein Dutzend Prozentwerte aus einer Umfrage auf, die belegen sollten, wie sehr sich die Bevölkerung angesichts des Massenandrangs bereits fürchtet.
Abschieben oder einsperren
Als besondere Problemgruppen bei den Straftätern machte Lugar Algerier, Georgier und Nigerianer aus, bei denen nicht einmal ein Asylgrund vorliege. "Kümmern Sie sich endlich um die Illegalen!", rief er Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) auf der Regierungsbank zu. "Bringen Sie die endlich außer Landes, oder sperren Sie sie wenigstens ein!"
Mikl-Leitner kontert mit Zahlen
Doch die Innenministerin hatte sich für ihren Auftritt gut gerüstet. "Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt – und damit das so bleibt, hilft uns keine Polemik", belehrte sie den Team-Chef im Parlament – und konterte ihrerseits mit Zahlen aus der jüngsten Kriminalitätsstatistik für 2015, die erst demnächst offiziell präsentiert wird. Demnach ist von 2014 bis zum Vorjahr die Zahl der tatverdächtigen Asylwerber zwar von 10.416 auf 11.514 emporgeklettert – allerdings schnellte die Zahl der Asylwerber selbst im selben Zeitraum von 28.064 auf 89.100 Personen hoch, was in Relation also keinesfalls einen Anstieg bedeutet.
Was das Innenressort im letzten Quartal allerdings sehr wohl verzeichnete: einen Anstieg bei Diebstählen, Suchtgiftdelikten und Körperverletzungen – wobei sich Letztere vor allem innerhalb der Migranten- und Asylwerberszene abspielten.
Lugar eskaliert mit Manieren wie aus der Vorzeit
Die Grüne Alev Korun höhnte in Richtung des Stronach-Sektors, dass er Flüchtlinge "in Bausch und Bogen schlechtmachen wolle", obwohl sich der eigene Parteigründer einst als Wirtschaftsmigrant nach Übersee aufmachte.
Einen Ordnungsruf vom Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ) setzte es für Lugar, weil er nach Österreich kommenden Flüchtlinge ein Weltbild wie jenes vom Neandertaler nachgesagt hatte, die ja Gott sei Dank ausgerottet seien. Die Grünen empörten sich über die Entgleisung, die inakzeptabel, menschenverachtend und rassistisch sei, inklusive Rücktrittsaufforderung an Lugar.
Blauer Wetterhahn statt blaue Lösungen
Als der rote Kanzler und sein schwarzer Vize gegen elf Uhr zu ihrer Erklärung zum anstehenden EU-Gipfel unter Beteiligung der Türkei anhoben, stahlen der kleinen Oppositionspartei die Freiheitlichen die Show. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl wuchtete Werner Faymann (SPÖ) und Reinhold Mitterlehner (ÖVP) einen Wetterhahn vor die Nasen, als Symbol für den Asylkurs der Koalition. Der blaue Chef Heinz-Christian Strache wiederum wachelte mit einem Wendehals-Zettel in denselben Farben herum.
Alle Routen dichtmachen
Davon unbeeindruckt machte der Kanzler für sein Zusammentreffen mit den Spitzen der Union klar: "Alle Routen sind zu schließen." Dazu gab es das Versprechen, dass man beim Pakt mit der Türkei die eigenen Werte keinesfalls über Bord werfen werde. An Berlin appellierte Mitterlehner, endlich eine Zahl zu nennen, wie viele Flüchtlinge man bereit sei aufzunehmen. Sonst würden Asylsuchende weiterhin Aufnahmeangebote aus anderen Ländern ausschlagen.
Lopatka als Störenfried
Das einheitliche Bild der Regierung geriet nur durch einen Auftritt ins Wanken: als der schwarze Klubchef Reinhold Lopatka mit einer Checkliste für Faymann ans Rednerpult trat. Dazu forderte er Faymann unter anderem auf, in den nächsten zwei Tagen "keinen Blankoscheck für die Türkei in Richtung Visa-Liberalisierung und EU-Beitritt auszustellen", denn: "Dann hätten wir ein Problem in der Koalition." (Nina Weißensteiner, 16.3.2016)