Das Wiener Burgtheater.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wien – Die Rohberichte des Rechnungshofs unterliegen aus guten Gründen der Geheimhaltung. Sie bilden eine notwendige Grundlage für ministerielles Handeln. Die Praxis, sie vor jeder Wirksamwerdung einem oder auch mehreren Medien zuzuspielen, ist in unserem schönen Land eine gängige. Ob man sie deshalb auch schon angängig nennen kann, bleibe dahingestellt. Das Unbehagen ob eines solchen "Coups" speist sich aus einer Quelle, die von keinem Neid getrübt ist.

Der Presse ist zur Öffentlichmachung des Rohberichtes, der die Zahlungspraktiken am Wiener Burgtheater aufs Korn nimmt, Anerkennung zu zollen. Zugleich wird deutlich, wie eine atemlose Berichterstattung über die "Verschwender" im Haus am Ring mehr Fragen aufwirft, als sie naturgemäß beantworten kann.

Vor genau zwei Jahren wurde Matthias Hartmann seines Amtes als Burgtheaterdirektor enthoben. Seither hat es den Anschein, die einheimischen Kulturredaktionen, wiewohl oft schütter besetzt, würden von wahren Heerscharen von Kostenrechnungsprüfern bevölkert. Eine Leidenschaft für Zahlenspiele ist in Menschen ausgebrochen, von denen man vordem meinte, sie fänden mit dem Dienst an den Musen ihr gutes Auslangen.

Das Spiel vom Zahlen

In der Tat sind die vom Rechnungshof (nicht öffentlich) aufgetischten Zahlen imposant. Ein sich schüchtern anbahnendes Finanzdebakel nahm in den Geschäftsjahren von 2008/09 bis 2013/14 wahrhaft gigantische Ausmaße an. Jedem gutwilligen Laien bleiben die geschilderten Vorgänge, ob sie nun "dolos" waren oder nicht, vollkommen schleierhaft.

Die Art und Weise, wie Ex-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky gewirtschaftet haben soll, spottet noch der Nacherzählung. Unfassbare hohe Bargeldsummen wanderten über den Burg-Tresen. In 7362 Fällen sollen insgesamt rund 21,14 Millionen Euro als Akonten an Beschäftigte oder Werkvertragsnehmer ausbezahlt worden sein. Überhaupt wurden enorme Auszahlungssummen an der Hauptkasse vorbeilaviert. Belege wurden entweder gar nicht fabriziert oder nicht ordnungsgemäß beigebracht.

An Ex-Burg-Chef Hartmann flossen angeblich ab der Vorbereitungszeit 2006 bis zu seinem abrupten Abgang 2,23 Millionen Euro. Nicht immer sollen den Summen auch entsprechende Leistungen zuzuordnen sein. Notwendige Genehmigungen (durch die Bundestheater Holding) wurden nicht eingeholt, Spesen ohne Vorlage von Originalbelegen eilfertig ersetzt.

Die Liste an Fehlleistungen ließe sich endlos fortsetzen. Die Frage, wer in diesem Schlamassel-Spiel der Täter ist und wer der (oder die) Getäuschte(n), lässt sich weniger klar beurteilen denn je. Georg Springers Rolle als rechtzeitig emeritierter Aufsichtsratsvorsitzender erzählt vom Phänomen der Verflüchtigung. Immerhin war Stantejsky 2008, als sie sich für die Burg-Geschäftsführung bewarb, nur Drittgereihte. Und auch Hartmann verdient reichlich von einer eher ominösen Substanz, die für alle in Überfluss vorhanden ist: die Unschuldsvermutung. (Ronald Pohl, 16.3.2016)