Markus Stoll alias Harry G: ärgert sich über "Isarpreißn".

Foto: Christian Brecheis

Wien – Wenn sich einer nach ein paar gelungenen Youtube-Videos auf die Bühne stellt und glaubt, jetzt auch dort noch herumg'schaftln zu müssen, wetzen Offline-Puristen üblicherweise ihre Messer. Für die Bühne müsse man schließlich aus ganz anderem Holz geschnitzt sein.

Muss man auch. Aber Komiker wie Harry G (oder hierzulande auch Christopher Seiler) haben ihren Kritikern schnell die Schneid abgekauft. Sie zeigen, dass sich die Zwei-Minuten-Logik des Internets mit einer eineinhalbstündigen Liveperformance durchaus sinnvoll verknüpfen lässt. Wer dem bayerischen Comedy-Senkrechtstarter Harry G am Dienstag bei seinem Österreich-Debüt im Stadtsaal beiwohnte, wurde tags zuvor via Video optimal darauf eingeschworen.

Harry G über Richard Lugner und die Bundespräsidentschaftswahl.
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Live erinnerte dann tatsächlich recht wenig an Harry Gs Onlineexistenz. Und das war gut so. Souverän mit dem Publikum interagierend, im gelassenen, süffisant überheblichen Grantlerton lieferte der Hutträger mit seinem Programm Leben mit dem Isarpreiß einen Auftritt, der es wert ist, hinter dem Rechner hervorzukriechen und ein Ticket zu kaufen.

Nach einem länderspezifischen Einstieg zur Lage des österreichischen Politraps (Lugner, Strache, Money Boy) kam G, der im wirklichen Leben Markus Stoll heißt, schnell zu seinem eigentlichen Anliegen: Dem "zuagroasten Preißn" aus nördlicheren Gefilden, der sich von München aus längst auch in umliegende, schutzlos ausgelieferte Regionen ausbreitet, einmal so richtig die Meinung zu sagen.

Da geht es viel um g'schleckte Gelfrisuren und Poloshirts, zu kurze Billigdirndln in Neonfarben oder darum, dass es in München "bald mehr Yoga-Buden als Kinderstuben" gibt. Immer wieder bekommt Berlin, "die Stadt wo man ja keine Arbeit, sondern Projekte hat", ihr Fett weg. "Bayern gibt, Berlin nimmt!", sagt G. Kein Wunder also, dass in München "mehr Steuergeld hinterzogen wird, als in Berlin erwirtschaftet" wird.

So manche Erzählung Gs hört man derzeit auch in anderen Programmen, wie von den Eigenarten des bayerischen Banküberfalls (Michael Mittermeier) oder eher entbehrliche Katzenwitze (Kaya Yanar). Damit nimmt Harry G dem zweiten Teil seines Programms etwas die Originalität. Passagen wie diese würde man gerne gegen mehr politischen Tiefgang tauschen. Gerhard Polt, Sigi Zimmerschied oder Luise Kinseher stünden als bayerische Bezugsgrößen bereit.

Es bleibt zu hoffen, dass Harry G nicht Opfer seiner eigenen Motive wird, sprich, von ebenjenen schenkelklopfend vereinnahmt wird, die er eigentlich kritisiert. Der 36-Jährige plädiert, durchaus neokonservativ, für eine "Rückkehr zum (oder zur?) gesunden Maß". Das ist nicht immer verkehrt. Darf aber im Überschwang der Ironie nicht in die Entschuldigung für Ewiggestriges abdriften. (Stefan Weiss, 16.3.2016)