Shailene Woodley in "Die Bestimmung – Allegiant".

Foto: Constantin Film

Englischer Trailer.

The Divergent Series

Deutscher Trailer.

KinoCheck

Wien – Der erwachsene Mensch erhebt sich mitunter gerne über das, was anderen Kriterien folgt als der eigene Geschmack. Die Jugendfilmreihe Divergent (Die Bestimmung) hat es in dieser Hinsicht besonders schwer. Während etwa die Tribute von Panem-Filme, geadelt von Jennifer Lawrence, überwiegend positiv aufgenommen wurden, wurden die ersten zwei Verfilmungen der Romane von Veronica Roth nahezu durchweg verrissen. Das ließe sich auch im Falle des dritten Teils der Reihe, Allegiant, schnell erledigen.

Die Story wirkt wiederholt hastig erzählt und die Action aseptisch, wie überhaupt das gesamte Design. Geschenkt. Wenn man sich allerdings vor Augen führt, welche Zukunft – und damit auch welches Bild unserer Gegenwart – dieser Film entwirft, wird auch Allegiant zu einer spannenden Kinoerfahrung.

Keine Versprechen

Die Stadt Chicago gilt ihren Bewohnern nach der Apokalypse als letzter bewohnter Ort auf Erden. In diesem dystopischen Weltentwurf sind die Reste der Menschheit in fünf Fraktionen unterteilt, jede ist qua genetischer Disposition für bestimmte Aufgaben prädestiniert – die Aufrichtigen für die Rechtsprechung, die Intelligenten für die Forschung, die Gütigen regieren usw. In einem Initiationsritus werden die Jugendlichen den Fraktionen zugeteilt. Die Macht sortiert subtil ihre Unter tanen, ohne ihnen die Möglichkeit der Wahl zu nehmen – sie dürfen zwar selbst entscheiden, bekommen aber mittels eines Tests eine deutliche "Empfehlung". Die gen retypische Erlöserfigur Beatrice "Tris" Prior (Shailene Woodley) hatte sich im ersten Teil der für sie nicht vorgesehenen Fraktion der Ferox angeschlossen, die in den Straßenschluchten als schlagkräftige Exekutive unterwegs ist, und damit den Schritt aus dem Kastensystem in ein vorgeblich selbst gewähltes Leben vollzogen.

Doch jedes Versprechen auf Befreiung ist hier eine neue Variante der Unterwerfung. Von dieser Prämisse aus zeigt die Divergent-Reihe (nicht nur) jungen Menschen in einer durchaus analytischen Weise, nach welchen Prinzipien die verschiedenen Machtkon stellationen funktionieren: Nach dem Versuch einer faschistischen Diktatur übernahm die Revolution die Macht, beendete das Kastensystem und ließ einem Lynch mob freien Lauf. Bis sie sich wiederum selbst als neue Herrschaft etablierte – und sich im Handumdrehen an die Wiedereinführung der Kasten machte.

Soziale Experimente

Hier setzt nun der dritte Teil Al le giant, wie sein Vorgänger inszeniert vom deutschstämmigen US-Regisseur Robert Schwentke, ein: Tris und ihre Mitstreiter verlassen die Stadt, nachdem sie erfahren haben, dass es in der Wüste Menschen geben soll, die Chicago als Sozialexperiment installiert haben. Das nächste Befreiungsversprechen entpuppt sich als Trugschluss: Tris, eine junge Frau zwischen den Welten, deren genetischer Code die Klassenzuordnung unterläuft, wird vom Leiter der Forschungsstation als Repräsentantin genetischer Reinheit in den Dienst genommen. Wir sehen, was ein panoptischer Blick ist, und lernen, wie der instrumentellen Vernunft die totalitäre Fantasie prinzipiell eingeschrieben ist.

Die Bestimmung-Reihe ist komplexer, als die glatte Oberfläche der Bilder suggeriert – allem ausgewalzten CGI-Gedonner zum Trotz. Es geht in Allegiant um ein Wissen, das auf dem Weg ins Erwachsenenalter allzu oft verschwindet: das grundlegende Misstrauen ge genüber jenen, die vorgeblich nur das Beste für einen wollen. Und um die Erkenntnis, wie sehr das eigene Handeln verknüpft ist mit den Strukturen und Interessen der Macht. (Benjamin Moldenhauer, 18.3.2016)