Ok, es hat eben nicht sein sollen. und normalerweise wäre ich ja bereit, die Schuld dafür auf mich zu nehmen: Ich gelte nämlich als "DAU". Also "dümmst anzunehmender User". Und mein Bruder meint – nicht ohne Grund, er arbeitet schließlich in der Branche – dass ich als personifizierte Definition von PEBCAK eine Traumkarriere vor mir hätte: PEBCAK bedeutet "Problem Exists Between Chair And Keyboard" – und … aber das haben Sie sicher schon überrissen.

Bloß: Wieso der Garmin Varia Radar nicht so tat, wie er sollte, haben letzte Woche auch andere nicht kapiert. Und zwar Leute, die das Teil schon im Spätherbst in der Mangel hatten – und an dem Radarsystem, mit dem Garmin Radfahrer vor von hinten kommenden Autos warnt, nichts auszusetzen hatten. Außer "dass so ein Ding auch ablenken kann und man eh nix dagegen tun kann, wenn sie dich über den Haufen fahren."

Foto: Thomas Rottenberg

Aber der Reihe nach: vergangene Woche war ich in der Toskana. Eingeladen vom Bike-Hersteller Scott, dem Rad- und Outdoor-Kleiderlabel Ion und dem Bike-Hotel "Massa Vecchia". "Saisonbeginn mit Mountain- und Straßenbikes" stand auf der Einladung. Massa Vecchia liegt am Fuße von Massa Marittima, einer dieser kleinen, typischen mittelalterlichen Städte in der Toskana, die malerisch und romantisch aussehen – aber in Wirklichkeit zum Sterben zu groß und zum Leben zu klein sind: 10.000 Menschen lebten früher hier, erzählte uns Bürgermeister Marcello Giundini. Nun sind es nur mehr 6000, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Perspektiven gering. Deshalb, so der Stadtchef, sei er heute umso glücklicher, dass Ernesto Hutmacher vor 30 Jahren hierher gezogen ist.

Foto: Thomas Rottenberg

Hutmacher ist heute 65. Er stammt eigentlich aus Zürich und war früher Formel-1-Mechaniker und Formel-V-Rennfahrer. Dann wurde er Radrennfahrer, sah ("ich bin kein spiritueller Mensch und war bis dahin noch nie in der Toskana") eines Tages in einer Vision einen Ort namens Massa Marittima bildhaft vor sich und am Fuße des Hügels das Anwesen "Massa Vecchia", in und um das sich Radfahrer tummelten. Mehr aus Neugierde fuhr er in die Toskana, fand den Ort samt eines vergammelten Gehöfts – und siedelte sich hier an.

30 Jahre später ist Massa Vecchia ein Rad-Kult-Hotel. Hutmacher führt es mit seinen beiden Töchtern und hat gelernt, zu akzeptieren, dass weder er noch sonstwer je schlüssig behirnen können wird, wie das mit der Vision und seiner Italienisierung genau funktioniert hat.

Foto: Thomas Rottenberg

Fakt ist aber, dass Hutmachers Vision und sein mit viel Liebe und Herzblut geführtes Haus die Region nachhaltig belebt haben. Allein zum "Super Enduro" in Massa Marittima kommen Hundertschaften an Enduro- und anderen Bikern. Dazu Fans, Familien, Wannabes – und ein Riesentross an Herstellern, Betreuern und von den Rad-Labels eingeladenen Presseleuten aus der ganzen Welt: Die Hotels und Herbergen sind voll. Die Bilder locken zahllose Bikefreunde an – und Bürgermeister Giundini jubelt: "Ernesto, heute verstehe ich dich. Endlich."

Foto: Thomas Rottenberg

Ich bin kein Mountainbiker. Das hat sich bisher einfach nie ergeben. Aber hier kann man ohnehin sowohl Straße als auch Gelände fahren: Ich bin kein guter, aber ein recht passabler Hobby-Straßenradfahrer. Und es gibt wahrlich schlimmere Arten, sein Geld zu verdienen, als im Frühling mit brandneuen und sauteuren Rennmaschinen durch die Toskana zu rollen: Hügel, Ebenen, das Meer … Hammer. Außerdem hatte ich ja noch dieses Ding von Garmin daheim liegen: Das Rad-Radar.

Foto: Thomas Rottenberg

Das Varia hatte Garmin im Herbst auf den Markt gebracht. Es ist ein "intelligentes", sich also der Umgebungshelligkeit anpassendes Rücklicht, das mit einem Radarsensor gekoppelt ist. Der erkennt Fahrzeuge, die sich von hinten nähern ab einer Entfernung von 140 Metern – und schickt Informationen ans "Cockpit": Dort – in der Regel auf einem kompatiblen Bike-Computer (Garmin legte mir den "Edge 1000" ins Paket) – leuchten dann in einer Lichtzeile am Displayrand Punkte auf: Jedes Fahrzeug ist ein Punkt – und wenn die Autos näher kommen, rücken die Lichtpunkte weiter zur Oberkante des Displays. Zusätzlich zeigt eine Statusleuchte in Ampelfarben, ob der Abstand safe, bedenklich oder gefährlich ist. Optional kann das Ding auch piepsen.

Foto: Thomas Rottenberg

In der Theorie funktioniert das super. In der Praxis auch. Schrieb jedenfalls der Doyen der Sport-Gadgets, DC Rainmaker, im Oktober. Das hatte ich mir im Februar auf der ISPO in München am Garmin-Stand außerdem ausführlich vorführen lassen. Und das bestätigten mir auch ein paar Kollegen von Special-Interest-Magazinen, die das Teil ebenfalls schon im Spätherbst getestet hatten. (Wieso das Tool hier erst jetzt kommt? Ganz einfach: Das Publikum von General-Interest-Medien schaut im November eher nicht auf Fahrradzeugs) Doch ebenso wie ich bekam keiner von uns mein Testgerät dazu, uns auch nur ein einziges Auto (oder sonst etwas) anzuzeigen. Aber: Keiner in meiner Gruppe, kein anderer Biker und auch kein Rad-Techniker der hier herumwuselnden Hersteller kam auf den Fehler.

Foto: Thomas Rottenberg

Und das, obwohl das Ding eigentlich intuitiv funktioniert. Und wir es auch mehrfach mit der Betriebsanleitung in der Hand versuchten. Und sich das Radar-Heck-Tool klaglos sowohl mit dem (perfekt trackenden und navigierenden) Edge 1000 als auch dem mitgelieferten "Radar-Display Only"-Dings verband – und auf allen Displays alle Status- und sonstigen Verbindungsanzeigen behaupteten, dass das Gerät in Betrieb sei.

Nur: Blöderweise zeigte es kein sich näherndes Fahrzeug an. Nie. Kein einziges Mal. Egal wer und egal wie wir es versuchten: Nix. Nada. "Verstehen muss man sowas ja nicht", erklärte der Schweizer Kollege, der das Gerät zuvor in den höchsten Tönen gelobt hatte – aber auch angemerkt hatte, was auch "Rainmaker" in seinem Fazit betont hatte: Ob man sich durch die Radaranzeige sicherer oder verängstigt fühlt, ist wohl sehr subjektiv. Wichtig sei aber die wiederholte Feststellung, dass derartige passive Sicherheitsmaßnahmen kein Auto daran hindern können, einen Radfahrer abzuschießen.

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Andererseits ist so ein Dings aber auch ganz praktisch, um bei langen Fahrten auf einsamen Landstraßen nicht ganz in der manchmal ja fast meditativen Trance des Kurbelns zu versinken, sondern immer wieder zurück in dir Echtwelt geholt zu werden. Denn dort, wo einem ständig die Autos um die Ohren zischen, in der Stadt nämlich, ist das Varia Radar System fehl am Platz. das bestätigten mir auf der ISPO auch die Garmin-Leute: "Für Alltagsradler in der Stadt ist das nix – da wird man ja wahnsinnig…"

Foto: Thomas Rottenberg

Ein anderer Ort, an dem das Radar sinnlos ist, ist am Moutainbike. Erstens, weil auf Singletrails keine Autos passen. Zweitens, weil ein Mountainbike-Cockpit ohnehin am schönsten ist, wenn da möglichst wenig Schalter, Hebel und Displays montiert sind: Brems- und Schalthebel und – eh schon Luxus – der Knopf zur Sattel-Absenkung und zur Einstellung der Federung sind schon eine Menge Zeugs. Vor allem für Anfänger wie mich: Am ersten Tag schnappte ich mir ein "normales" Fully – und hatte zu meiner Überraschung auch auf angeblich "technisch durchaus anspruchsvollen" wurzeligen und teilverblockten Trails weniger Probleme als Angst. Die Kombination aus Mega-Federwegen und superfetten, weichen 27,5-Zoll-Plus-Reifen ließen mich auf Anhieb Hindernisse einfach überrollen, die mir vor zehn Jahren (als ich einmal mit einem MTB im Wienerwald spazieren fuhr) unüberwindlich erschienen wären: Das macht Spaß. Richtig Spaß. Und zwar je steiler und enger, umso mehr.

Foto: Thomas Rottenberg

Noch lustiger wurde es aber am Tag darauf: Da saß ich auf einem E-Mountainbike. "E-Genius 710 Plus" nennt sich das Teil – und abgesehen von dem "Bumms", den der 250-Watt-Motor beim Treten an Zusatzkraft liefert (E-Bike-Motoren riegeln bei 25 km/h ab? Wer´s glaubt … Im Bild fahre ich locker, aber doch halbwegs steil bergauf. Bergab, deutlich schneller, wollte ich den Lenker dann lieber nicht loslassen… ), profitierte ich vor allem beim Bergauffahren dann vom höheren Gewicht des Bockes. Wieso? Ganz einfach: Bergauf muss man auf einem "normalen" Rad so balancieren, dass einerseits das Vorderrad nicht aufsteigt, das Hinterrad aber noch genug Druck hat, um nicht durchzudrehen. Mit dem schwereren E-Bike ist das aber kein Thema: Das Ding klebt hinten fest am Boden – egal wie weit man vorne über dem Lenker hängt.

Foto: Thomas Rottenberg

Und auch bergab "klebte" das Teil dann bestens in und am Trail: Das zusätzliche Gewicht spielt bergauf – qua Motor – keine Rolle. Und bergab ist es sowieso wurscht: Es ist vor allem eine Kopfsache, sich selbst klar zu machen, dass so ein Rad weit mehr aushält, als alles, was man bisher gefahren ist. Und auch stabiler wird, wenn es schneller rollt. Und dass das halt auch im Gelände gilt: Immer und ständig zu bremsen und ausschließlich Schrittgeschwindigkeit sind eine sehr mühsame und vor allem wacklige Angelegenheit – und auch wenn man alle paar Meter einen Abflug hinlegt, gilt wie bei jedem Sport, dass man mit jedem Mal wieder Aufsteigen etwas dazugelernt hat. Hoffentlich.

Foto: Thomas Rottenberg

E-Mountainbikes, sagten die Hersteller und sagten auch die Fachjournalisten, sind spätestens heuer das große Ding. Und das längst nicht aus den Wiedererlangte-Mobilität-Gründen, die E-Bikes das Image des Omi-und-Opi-Beschleunigers in Kurhotelregionen verschafft haben: Der Trend am Mountainbike geht in Richtung Enduro, Freeride und Downhill – und dorthin, wo das Star-Trek-Motto gilt "to boldly go, where no man has gone before" und von dort dann mit einem Affenzahn und möglichst spektakulär wieder ins Tal. Mit Motor kommt man da einfach öfter höher raus, als ohne – und nicht jeder will nur dort fahren, wo Sessellift- & Seilbahnbetreiber sich schon jetzt auf die Zeit nach dem alpinen Skilauf vorbereiten.

Foto: Thomas Rottenberg

Österreich ist in dieser Hinsicht aber ein Entwicklungsland. Weil hier fast überall prinzipiell verboten ist und bleibt, was Touristiker anderswo längst als große Chance erkannt haben – und ausbauen. Nicht nur in der Toskana.

Aber das ist eine andere Geschichte.


Das Garmin Varia Radar Bundle (Radar-Unit plus Display) gibt es online ab etwa 250€.

Das "E-Genius 710 Plus" von Scott kostet 5.499€

www.scott-sports.com

Mehr zur Reise in die Toskana gibt es demnächst auf www.derrottenberg.com

Die Reise nach Massa Marittima erfolgte auf Einladung von Scott, Ion-Sports und Massa Vecchia.


(Thomas Rottenberg, 20.3.2016)

Foto: Thomas Rottenberg