Wien – Der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) spricht sich für die Weiterentwicklung des Mediums Radio im digitalen Bereich aus. In einer Stellungnahme zur Interessenerhebung der Medienbehörde KommAustria zum Digitalradio-Standard DAB+ hat sich der VÖP klar für die Digitalisierung ausgesprochen, ebenso wie für hybride Systeme, die nicht nur UKW, sondern auch DAB+ und Internet-fähig sind. Ähnliche Töne sind auch vom Verein Digitalradio Österreich zu hören.

Kritik gab es zugleich am ORF. Der öffentlich-rechtliche Sender hatte diese Woche mitgeteilt, dass er kein Interesse am Ausbau von Digital-Radio in Österreich hat. Die Technik mache für den ORF nur Sinn, wenn dieser die Möglichkeit bekomme, neue zusätzliche Programme auszustrahlen, so ORF-Chef Alexander Wrabetz. Bei den Privatsendern schrillen deshalb die Alarmglocken. "Eine Erweiterung des bestehenden Radioprogramm-Angebots des ORF ist aus Wettbewerbsgesichtspunkten ausgeschlossen", stellte der VÖP dazu in einer Aussendung klar.

Verweigerung des ORF "höchst problematisch"

Für den Erfolg von DAB+ wäre es laut Privatsenderverband vielmehr zielführend, ein bestehendes ORF-Radioprogramm, das über loyale Hörer und geringe Vermarktungserlöse verfügt – wie etwa Ö1 oder FM4 – in Zukunft ausschließlich über DAB+ zu verbreiten, ähnlich der Migration des Schweizer Senders "Beromünster". "Dass sich der ORF dem Thema DAB+ so eindeutig verweigert, ist aus meiner Sicht höchst problematisch", meinte VÖP-Vorstandsvorsitzender Klaus Schweighofer, der im Vorstand der Styria Media Group sitzt.

Die Weiterentwicklung von Technologien und Infrastrukturen sei Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags. "Diese Ablehnung des ORF zeigt, dass es ihm erneut nur um die kommerzielle Optimierung seiner eigenen Position im Markt und nicht um den Medienstandort Österreich geht. Es wird Zeit, dass sich der ORF seiner verfassungsrechtlich definierten Aufgabe stellt. Dazu gehört nicht zuletzt, österreichischen Medienanbietern Infrastruktur – wie etwa auch die TV-Thek oder eine Radiothek – zugänglich zu machen", erklärte Schweighofer.

Förderung der Übergangstechnologie

Für einen Digitalradio-Vollbetrieb ist nach Ansicht der Privatsender jedenfalls eine ausreichende Förderung der Übergangstechnologie von essenzieller Bedeutung. Gleichzeitig sollte jenen Rundfunkveranstaltern, die sich unter Einsatz hoher finanzieller Mittel bei DAB+ engagieren, eine Verlängerung ihrer UKW-Lizenz in Aussicht gestellt werden. Darüber hinaus dürfe die Abschaltung von UKW nicht zu früh erfolgen. Eine solche Abschaltung würde die wirtschaftliche Grundlage der privaten Radiosender stark gefährden und sollte daher aus wirtschaftlichen Überlegungen mittel- bis langfristig nicht ins Auge gefasst werden.

"Die Zukunft des Radios ist multi-plattform", so VÖP-Chef Schweighofer. "Radiosendern muss der Zugang zu sämtlichen Plattformen ermöglicht werden. Die Einführung von DAB+ wird hohe Kosten verursachen, die zum überwiegenden Teil von bestehenden Rundfunkveranstaltern getragen werden müssen. Rechtssicherheit in Bezug auf das Geschäftsmodell 'UKW' ist daher ebenso notwendig wie gezielte Förderung durch den Staat."

"Mehr Vielfalt und Wachstum am Radiomarkt"

Der Verein Digitalradio Österreich spricht sich für die digital-terrestrische Übertragung von Radio und die technische Weiterentwicklung der Mediengattung Hörfunk aus. "DAB+ ebnet den Weg für mehr Vielfalt und Wachstum am Radiomarkt", erklärte Vereins-Obmann-Stellvertreter und Radio Arabella-Chef Wolfgang Struber am Freitag zur abgeschlossenen Interessenerhebung der Medienbehörde KommAustria.

"DAB+ ist bereits heute europaweit Standard für digitale Terrestrik. UKW ist ein erfolgreiches Geschäftsmodell, bietet aber keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten mehr. Die Folge wird sein, immer mehr Hörer an Streamingdienste von internationalen Anbietern zu verlieren. Digitalradio bietet genau diese Chance, Radio wieder zukunftsfähig zu machen: Vielfalt, Interaktivität, Hörqualität, Verlässlichkeit, Sicherheit", so Struber.

Kritik übte der Privatradiomacher an ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Der öffentlich-rechtliche Sender hatte diese Woche mitgeteilt, dass er kein Interesse am Ausbau von Digital-Radio in Österreich hat. Die Technik mache für den ORF nur Sinn, wenn dieser die Möglichkeit bekomme, neue zusätzliche Programme auszustrahlen, so der ORF-Chef. Für den ORF würden sich durch den notwendigen mehrjährigen Parallelbetrieb darüber hinaus eine Mehrbelastung von 50 Millionen Euro im Jahr ergeben, erklärte Wrabetz.

"Fantasiezahl" von 50 Millionen Euro

Diese Argumentation gegen neue Technologien sei "besorgniserregend und unter herkömmlichen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar", sagte Struber im Gespräch mit der APA. Die von Wrabetz genannten 50 Millionen Euro Mehrkosten nannte er eine "Fantasiezahl". Die Verbreitung über DAB+ würde den ORF rund drei Millionen Euro im Jahr kosten, für UKW sind es derzeit 30 Millionen, meinte Struber. "Die Kosten für eine bundesweite Bedeckung mit DAB+ liegt bei einem Zehntel der Kosten von UKW."

Anders als der Verband der Österreichischen Privatsender (VÖP) zeigt der Digitalradio-Vertreter aber Verständnis für die ORF-Forderung nach zusätzlichen digitalen Programmen. "Der ORF soll zwei weitere Programme machen dürfen – bundesweit, nicht regionalisierbar und werbefrei", sagte Struber. Der ORF wünscht sich im Endausbau von DAB+ fünf zusätzliche Radioprogramme. "Das ist doch ein bisschen viel. Zwei sind angemessen." Gerne würde man den ORF auch beim laufenden Digitalradio-Testbetrieb in Wien, der demnächst ins zweite Jahr geht, dabeihaben. "Die Türen stehen weiter offen. Es gibt immer ein Plätzchen für den ORF."

Dass der ORF die Digitalradio-Entwicklung schlecht rede, versteht Struber nicht. DAB+ befinde sich europaweit auf dem Vormarsch. In der Schweiz werden 45 von 100 Radiominuten bereits digital konsumiert, über die Hälfte davon via DAB+. Auch in Österreich schreite die Entwicklung voran. "In jedem zehnten Haushalt ist bereits ein DAB+ fähiges Radiogerät vorhanden." Dass es noch viele UKW-Geräte gebe, sei nicht von der Hand zu weisen. "Aber als das Auto gekommen ist, waren auch noch viele Kutschen auf den Straßen. Wer glaubt Wettbewerb am Radiomarkt um jeden Preis verhindern zu müssen, um dadurch Marktanteile sichern zu können, irrt sich." (APA, 18.3.2016)