Füchtlinge, die am Sonntag auf der Insel Lesbos ankamen

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Diese Flüchtlinge warten an der türkischen Grenze in der Nähe von Izmir

Die türkische Küstenwache griff vor Lesbos zahlreiche Flüchtlinge auf

Athen/Brüssel/Ankara – Die Umsetzung des Flüchtlingspaktes stellt die griechischen Behörden vor große Probleme. "Wir tappen im Zusammenhang mit den Modalitäten im Dunkeln", sagte ein Offizier der griechischen Küstenwache am Sonntag. Es fehle an Experten wie Asylentscheidern und Sicherheitspersonal, berichteten Medien. Seit Mitternacht sind die Vereinbarungen zum Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei in Kraft.

Die Übereinkunft sieht vor, dass alle Flüchtlinge, die ab Sonntag illegal von der Türkei nach Griechenland übersetzen, ab 4. April zwangsweise in die Türkei zurückgebracht werden können. Vorher haben die Migranten jedoch das Recht auf eine Einzelfallprüfung im EU-Land Griechenland. Nur wer nachweisen kann, dass er in der Türkei verfolgt wird, darf bleiben. Der Sprecher des nationalen Krisenstabes für die Flüchtlingskrise, Giorgos Kyritsis, betonte im griechischen Fernsehen: "So ein Plan lässt sich nicht in 24 Stunden in die Tat umsetzen."

875 Neuankünfte in der Nacht auf Sonntag

Nach Angaben des Krisenstabes in Athen setzten in der Nacht auf Sonntag 875 Menschen von der türkischen Küste auf griechische Inseln über. Zum Vergleich: Am Samstag waren es 1.498 Flüchtlinge, am Freitag 670 und am Donnerstag 239. Am Sonntag kamen zwei Kleinkinder vor der Insel Ro ums Leben, als ihr Boot kenterte. Zwei weitere Migranten starben laut Medienberichten auf Lesbos.

In Griechenland waren am Stichtag Sonntag insgesamt 48.141 Flüchtlinge registriert. Auf den Inseln der Ostägäis harrten 7.316 Menschen aus, im Raum Athen-Piräus 13.000. Der Rest lebt in Lagern in Mittel und Nordgriechenland. Ob sie im EU-Land Griechenland bleiben oder in andere Länder der Gemeinschaft umgesiedelt werden, ist derzeit unklar.

12.000 Menschen in Idomeni

Im provisorischen Auffanglager von Idomeni an der Grenze zu Mazedonien halten sich nach Angaben des Krisenstabes, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen, rund 12.000 Menschen auf. Sie stecken dort fest, nachdem die Balkanstaaten die sogenannte Balkanroute am 9. März für Migranten ohne gültige Reisepapiere und Visa faktisch geschlossen hatten. Eine Umsiedlung in besser ausgestattete Flüchtlingsunterkünfte lehnen sie bisher ab.

Mit Blick auf den Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei sind noch mehrere Fragen offen, vor allem im Umgang mit Neuankömmlingen. In Gesprächen mit Reportern auf den Inseln Chios, Lesbos und Samos wiesen Offiziere der Küstenwache darauf hin, dass etwa unklar sei, wer die Menschen an einem möglichen Verlassen der Lager hindern solle. Auch sei ungeklärt, was geschehe, wenn sich eine Menge von 500 oder 1.000 Menschen weigern sollte, an Bord von Schiffen zu gehen, die sie zurück in die Türkei bringen sollen.

Quartiersuche auf Inseln

Die Regierung in Athen versucht, auf den Inseln Raum in den Aufnahmelagern für die Flüchtlinge zu schaffen, die unter den Flüchtlingspakt fallen. Am späten Samstagabend wurden 640 Menschen auf das Festland in die Hafenstadt Piräus gebracht. Weitere 1.170 kamen in der kleinen Hafenstadt Elefsina an. Rund 1.400 Menschen wurden am Sonntagabend im nordgriechischen Hafen von Kavala erwartet.

Ministerpräsident Alexis Tsipras übernahm nach Regierungsangaben die Aufsicht über den nationalen Krisenstab. Er hatte bereits beim EU-Gipfel am Ende der Woche von zu erwartenden kurzfristigen Engpässen gesprochen. So sagte er, dass 2.300 Experten in den kommenden Tagen nach Griechenland kommen sollen, um dabei zu helfen, im Schnellverfahren Asylanträge zu bearbeiten.

4000 Beamte sollen helfen

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zufolge wurden in einer Telefonkonferenz am Samstag unter den 28 Mitgliedstaaten Zusagen gesammelt. Österreich habe dabei 50 Sicherheitskräfte für Griechenland "eingemeldet", vor Ort seien 25. Insgesamt würde Athen 4.000 Beamte zusätzlich brauchen.

Zur Bearbeitung von Asylanträgen werden demnach etwa 400 Dolmetscher und 400 Asyl-Fachleute aus anderen EU-Ländern benötigt. Bei den Einspruchverfahren gegen geplante Rückführungen in die Türkei seien weitere 30 Dolmetscher sowie 30 Richter aus anderen EU-Ländern erforderlich. Für die eigentlichen Rückführungen würden weitere 50 Frontex-Experten sowie 1.500 Polizeikräfte gebraucht. (APA, 20.3.2016)