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So mancher potenzielle Unternehmer ist schon über die Hürde namens Gewerbeordnung gestolpert.

Foto: AP/Wong Maye-E

Wien – Die Gewerbeordnung ist umfangreich, streng und durchaus kompliziert. Das veranschaulicht die Geschichte von Herrn F. sehr gut. Sein Fall landete beim Landesverwaltungsgericht, nachdem er beim Amt der Wiener Landesregierung vergeblich um einen Gewerbeschein als Unternehmensberater angesucht hatte.

Zuvor war er bereits Inhaber eines Gewerbescheins als Unternehmensberater für Versicherungsbetriebe. Nun wollte er uneingeschränkt als Berater tätig sein. Aber Unterlagen, die seine Tätigkeit als Leiter der Unfallversicherungsabteilung, mehrjährige Berufserfahrung bei einer Softwareentwicklungsfirma und einer Unternehmensberatung bestätigten, sowie der Nachweis eines Universitätsabschlusses und zweier Coaching-Ausbildungen reichten dem Magistrat nicht.

Gutachten verlangt

Dieses forderte ihn auf, ein Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen vorzulegen. Herr F. kam dem nicht nach. Wohl, weil er sich sicher war, dass seine Qualifikationen für sich sprachen. Das Landesverwaltungsgericht Wien gab ihm dann auch recht.

Laut Alfred Harl, Obmann des Fachverbands Unternehmensberatung, sind solche Fälle sehr selten. Die Mindestvoraussetzungen für einen Gewerbeschein als Unternehmensberater seien ein Studium und eine einjährige Berufspraxis oder alternativ eine dreijährige Berufserfahrung, üblicherweise bei einer Unternehmensberatung. Das sei gerechtfertigt: "Der Unternehmensberater ist schließlich wie ein Arzt für den Betrieb." Den Fall von Herrn F. kann er sich nicht erklären.

Gewerbeordnung dient der Abschottung

Volker Plass von der Grünen Wirtschaft glaubt zu wissen, warum: "Die Gewerbeordnung in ihrer jetzigen Form dient hauptsächlich zur Abschottung bestehender Betriebe vor neuer Konkurrenz." Er tritt für eine Deregulierung all jener Berufe ein, von denen keine Gesundheitsgefahr ausgehe und bei denen Kunden in der Lage seien, über die angebotene Leistung selbst zu urteilen. Das betreffe etwa die Hälfte der derzeit reglementierten Gewerbe. "Man müsste die Gewerbeordnung endlich ausmisten", fordert Plass.

Bernhard Lehner von Austrian Start-ups, einer österreichischen Plattform für Jungunternehmen, musste sich noch nie intensiv mit der Gewerbeordnung auseinandersetzen. "Zum Glück", sagt er. Von befreundeten Unternehmern wisse er, dass diese "kaum zu durchschauen" sei. Ein Bekannter, der einen Radhandel in Wien betreibt, hätte sich beispielsweise beklagt, keinen Kaffee in seinem Shop ausschenken zu dürfen. Dafür hätte er ein Gewerbe für Gastronomie anmelden müssen.

Die Gewerbeordnung stellt die wichtigste berufs- und unternehmensrechtliche Regelung in Österreich dar. 80 Gewerbe sind in Österreich reglementiert: Um sie ausüben zu dürfen, ist ein Befähigungsnachweis erforderlich, häufig eine Meisterprüfung. Für 21 Teilgewerbe ist eine Befähigung "vereinfacht" nachzuweisen, das heißt durch Berufserfahrung oder einen Lehrabschluss.

OECD-Kritik

Seit Jahren drängt die OECD auf eine Liberalisierung der österreichischen gewerblichen Berufe. Fast ein halbes Prozent Wirtschaftswachstum und tausende Arbeitsplätze kostet die hohe Reglementierung laut OECD jährlich. Kritiker sehen in der strikten Reglementierung zudem eine Wettbewerbsverzerrung: Durch die hohen Eintrittsbarrieren würden viele potenzielle Konkurrenten gar nicht erst auf den Markt kommen.

Mit der notwendigen Ausbildung sind zudem Kosten verbunden. Das bedeutet im Fall eines Fremdenführers ganz konkret: Er muss mindestens 250 Lehreinheiten eines Ausbildungslehrgangs absolvieren – beispielsweise angeboten vom Wirtschaftsförderungsinstitut Wien. Ein Schnäppchen ist das nicht: Die mehrsemestrige Ausbildung zum Fremdenführer kostet 4.600 Euro, die Meisterprüfung bei der Wirtschaftskammer Wien nochmals gut 450 Euro.

Fundament bröckelt

Dennoch bröckelt das feste Fundament der Gewerbeordnung nach und nach. 2013 hob der Verfassungsgerichtshof die Berufsfotografie als reglementiertes Gewerbe mit dem Hinweis auf den technischen Fortschritt auf. Im vergangenen Jahr erklärte der Europäische Gerichtshof den Gebietsschutz bei Rauchfangkehrern für unzulässig. (Elena Pramesberger, 21.3.2016)