Die Nachhaltigkeitsdirektorin der Tui Group, Jane Ashton.

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Nachhaltigkeit heißt auch Respekt vor der indigenen Bevölkerung wie den Urus am Titicacasee in Peru.

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STANDARD: Was hat ein Reisekonzern wie Tui mit Nachhaltigkeit am Hut?

Ashton: Sehr viel. Ein schöner Urlaub und eine intakte Umwelt und Infrastruktur sind zwei Seiten derselben Medaille. Wir übernehmen Verantwortung für die Zielgebiete, weil wir eine langfristige Partnerschaft haben und weiterentwickeln wollen. Und wir verkaufen Emotionen, große Erlebnisse, umrahmt von wunderschönen Landschaften und intakter Natur. Wenn es das einmal nicht mehr geben sollte, weil wir sorglos damit umgehen, haben wir ein Problem.

STANDARD: Ist das auch ein Thema, das von Ihren Kunden kommt, das sozusagen marktgetrieben ist?

Ashton: Es gibt Regionen und Länder auf der Welt, wo Gäste das sehr wohl erwarten. Generell ist das nicht so, noch nicht. Aber wir sind überzeugt, dass das Bewusstsein wächst und viele Gäste klare Vorstellungen haben, wie sich ein Unternehmen nachhaltig verhält. Es geht um ökologische und soziale Nachhaltigkeit.

STANDARD: Wo ist das Bewusstsein für einen sparsamen und schonenden Umgang mit Ressourcen und allem, was die Natur bereithält, am ausgeprägtesten?

Ashton: Ich beobachte das in Skandinavien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich. Andere Länder holen auf. In den vergangenen zehn, 15 Jahren hat sich viel zum Besseren verändert. Das setzt sich fort. Die Vorstellung, wie das Produkt Urlaub auszusehen hat, wird auf lange Sicht sicher nachhaltiger sein als heutzutage.

STANDARD: Tui ist an der Börse notiert, muss Geld verdienen, damit die Aktionäre zufriedengestellt sind – jetzt und nicht erst in der Zukunft. Sitzen Sie da nicht zwischen zwei Sesseln?

Ashton: Das eine schließt das andere nicht aus. Wir müssen langfristig denken und handeln, damit das, was wir den Urlaubern verkaufen wollen, auf Dauer erhalten bleibt: kristallklare Bergseen, weiße Strände, gesunde Verpflegung. Aber auch kurzfristig gibt es viele Vorteile, wenn man eine Nachhaltigkeitsstrategie konsequent umsetzt.

STANDARD: Welche zum Beispiel?

Ashton: Mit dem Einsatz effizienterer Flugzeuge und Schiffe können nicht nur Tonnen an klimaschädlichem Kohlendioxid einspart werden, durch den Minderverbrauch von Kerosin und Schiffsdiesel sinken auch die Betriebskosten beträchtlich. Wir testen auch Biotreibstoffe auf Basis von Speiseöl. Noch sind die Kosten dafür prohibitiv hoch, die Mengen sind noch zu klein. Auch in den Hotels kann man eine Kosten-Nutzen-Rechnung anstellen. Dabei zeigt sich, dass durch den Einbau effizienterer Heizsysteme und einen sparsameren Umgang mit Wasser in Summe viel gespart werden kann. Und die Umwelt profitiert davon.

STANDARD: Dennoch sprechen Kritiker mitunter von Greenwashing. Was antworten Sie denen?

Ashton: Die Zahlen sprechen für sich: Zwischen 2008 und 2014 ist es uns durch entsprechende Maßnahmen gelungen, den CO2-Ausstoß um eine Million Tonnen zu senken. Das entspricht einer Reduktion um zehn Prozent. Bis 2020 haben wir vor, weitere zehn Prozent einzusparen. Wir achten darauf, dass Vertragshotels unsere Vorgaben einhalten. Wir haben gut 200 verschiedene Kriterien definiert, die es beim Umgang mit Mitarbeitern genauso einzuhalten gilt wie beim lokalen Einkauf.

STANDARD: Wie wird das überprüft?

Ashton: Wir setzen auf internationale Zertifizierungsagenturen.

STANDARD: Hat sich Ihrer Wahrnehmung nach das Verhalten der Reisenden seit dem Klimaschutzabkommen von Paris im vergangenen Dezember verändert?

Ashton: Der Klimagipfel in Paris hat ein wichtiges Signal gesendet. Aber nach drei Monaten ist es zu früh, seriös Auswirkungen festzumachen. Ich bin aber sehr bestärkt durch das Abkommen, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Klar ist aber auch – es braucht einen langen Atem.

STANDARD: Was kann jeder einzelne Urlauber tun, um zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen?

Ashton: Zum Beispiel in einem zertifizierten Hotel einchecken. Das ist ein guter erster Schritt. Bei der Wahl des Verkehrsmittels auf Effizienz achten, Speisen aus lokaler Produktion essen und, und, und.

STANDARD: Reisen Sie selbst nachhaltig?

Ashton: Ich versuche es. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Sooft es geht, fahre ich mit dem Zug. Kürzere Strecken lege ich überwiegend mit dem Fahrrad zurück. Auch im Urlaub achte ich auf Nachhaltigkeit.

STANDARD: Welche Destinationen kommen dem Idealbild von Nachhaltigkeit am nächsten?

Ashton: Lanzarote hat im Laufe der vergangenen Jahre große Anstrengungen unternommen, eine "grüne" Destination zu werden, nachdem es zuvor einige Probleme gab. Zypern hat sich ebenfalls sehr bemüht. Nachhaltigkeit ist dort zu einem Kernbestandteil im Qualitätsrating von Hotelbetrieben geworden.

STANDARD: Kann eine Stadt wie Venedig, die so stark wie kaum eine andere im Fokus des Massentourismus steht, zu einer nachhaltigen Destination werden?

Ashton: Venedig ist wunderschön, verständlich, dass so viele diese Stadt besuchen wollen. Gerade in so einer Destination muss Nachhaltigkeit langfristig zu einem festen Bestandteil des Tourismus werden. Und das über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. (Günther Strobl, 21.3.2016)