Wie sollen junge Menschen dieser Pflicht zur Ausbildung denn nachkommen, ohne dass es das entsprechende Angebot gibt?

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Nun soll es also eine Ausbildungspflicht geben. Ein in der Theorie recht guter Gedanke im Kampf gegen Ausbildungsabbrüche und schlechte Arbeitsmarktchancen von jungen Menschen mit niedrigem Bildungsniveau. Was dabei in der Praxis aber herausgekommen ist, siehe den aktuellen Gesetzesentwurf, macht freilich wenig Hoffnung.

Dem Gesetzesentwurf liegt ein Denkfehler zugrunde. Wie sollen junge Menschen dieser Pflicht zur Ausbildung denn nachkommen, ohne dass es das entsprechende Angebot gibt? Die Einführung einer solchen Pflicht wäre nur dann gerechtfertigt, wenn vom Staat auch entsprechende finanzielle Mittel und strukturelle Maßnahmen bereitgestellt werden, die es Jugendlichen einfach, niederschwellig und flächendeckend ermöglichen, dieser Pflicht auch nachzukommen. Denn jeder junge Mensch, dem keine passenden Chancen, keine speziellen Angebote, keine individuelle Unterstützung geboten werden, läuft Gefahr, am (derzeitigen) System zu scheitern. Ohne das auch weiterhin hochselektive Bildungssystem und nur sehr zögerlich ausbildende Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, bleibt die Umsetzung des vorliegenden Gesetzes und die damit verbundene Bringschuld zu einem (zu) großen Teil auf den Schultern von jungen Menschen liegen.

Falsche Schwerpunktsetzung

Auch die Schwerpunktsetzung auf Sanktionen ist problematisch. Anstatt den hinlänglich bekannten Gründen für Ausbildungsabbrüche mit umfassenden und verpflichtenden Präventionsmaßnahmen entgegenzuwirken, wird ein unverhältnismäßiger Schwerpunkt auf teure Kompensation und Strafen gelegt, die eine Nichteinhaltung dieser Pflicht nach sich ziehen würde. Prävention wäre hier die klügere – und günstigere – Wahl, und dazu bildungs- und sozialpolitisch deutlich effektiver.

Das wirklich Innovative an der ursprünglichen Idee des Gesetzes war, dass der Grundgedanke so inklusiv war und auch tatsächlich benachteiligte Jugendliche miteingeschlossen hätte. Davon ist nun im vorliegenden Entwurf leider nicht mehr viel zu spüren. Dass das Gesetz die Möglichkeit geboten hätte, auch jungen Flüchtlingen ein umfassendes, zielgruppengerechtes Ausbildungsangebot zu ermöglichen, lässt sich heute nicht mehr erahnen. Der entsprechende Absatz wurde restlos gestrichen. Auch die Tatsache, dass die Ausbildungspflicht für Jugendliche mit Behinderung unter Umständen ruhend gestellt werden kann, widerspricht komplett dem inklusiven Gedanken.

Recht auf Ausbildung

Wäre es nicht ein viel sinnvolleres Signal, wenn man allen jungen Menschen ihr Recht auf Ausbildung gewährt und diese darin bestmöglich unterstützt? Wenn man ein (Aus)-Bildungssystem schafft, in dem junge Menschen ihre individuellen Wünsche, Talente und Motivationen verwirklichen und vertiefen können? Indem man Möglichkeiten und Chancen schafft, anstatt Strafen und Sanktionen in den Mittelpunkt zu stellen? Wir glauben, dass das möglich ist. (Johanna Tradinik, 21.3.2016)