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16 Jahre lang war Nadine Brandl Synchronschwimmerin. Nun hat sich die Wienerin vom Wettkampfsport verabschiedet.

Foto: EPA/ALEJANDRO GARCIA

Wien – Bei der Frage nach ihrem größten Erfolg überlegt Nadine Brandl lange. Natürlich könne sie den sechsten Platz bei der EM 2012 oder zwei 13. WM-Plätze nennen. "Aber eigentlich", sagt sie, "ist mein größter Erfolg, dass ich der Mensch geworden bin, der ich bin."

Der Mensch ist nun keine Spitzensportlerin mehr. Vor drei Wochen gab die 26-jährige Wienerin ihren Rücktritt als Synchronschwimmerin bekannt. Ein Rücktritt, der sich abgezeichnet hatte. Einmal wäre Brandl noch gerne bei Olympischen Spielen angetreten. Nach Peking und London hätte Rio ein würdiger Abschluss werden sollen. Aber der Solobewerb ist nicht olympisch und Brandl stand seit knapp zwei Jahren ohne Partnerin da.

Vieles lief nicht glücklich in den vergangenen drei Jahren. Brandl hat den Frust abgelegt. Weder zornig, noch wehmütig blickt sie zurück. "Ich sehe meine Karriere total positiv." Dass sie aufhören würde, habe sie seit Juli gewusst. Nur offiziell machte sie es erst jetzt. Fad ist Brandl deshalb nicht.

Voller Terminplan

"Mein Terminplan ist voller als früher." Studium, Praktikum bei der Sporthilfe, Schwimmtraining, Üben mit Nachwuchssportlerinnen. Aber Brandl ist gut organisiert. Eine Stunde für den STANDARD lässt sich einzwicken.

"Ich höre an einem Punkt auf, an dem mir der Sport noch Spaß macht", erzählt sie. Auch deshalb bleibt sie Synchronschwimmerin. Das Ziel hat sich geändert: Nicht mehr Rio, sondern Las Vegas. Nicht mehr Wettkämpfe, sondern Shows. Wenn es klappt, wirkt sie bald bei "Le Rêve" ("Der Traum") in Las Vegas mit. Neben Synchronschwimmerinnen sind auch Clowns, Akrobaten oder Wasserspringer dabei. Zweimal pro Abend, fünfmal pro Woche wird "der Traum" im Hotel Wynn aufgeführt.

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Abenteuer Las Vegas

"Las Vegas", sagt Brandl, "wäre ein neues Abenteuer." Ob sie genommen wird, entscheidet sich nach einem Casting in London Mitte Mai. Wie die Chancen stehen, wie viele genommen werden, kann sie schwer einschätzen. "Die Anforderungen sind hoch", sagt sie. "Die Bewegungen müssen showtauglich sein." Das sei etwas ganz Anderes als das Wettkampf-Synchronschwimmen. Die Arbeit in einem großen, internationalen Team würde sie jedenfalls reizen.

Und wenn es nicht klappt? "Dann geht es auch weiter." Brandl hat ihr Publizistik-Bachelorstudium abgeschlossen, studiert nun Wirtschaft. Bei der Sporthilfe hilft sie im Eventbereich. Nebenbei lernt sie Russisch.

"Es gab nie die Möglichkeit, es wegen des Geldes zu machen. Ich musste es immer aus Freude machen."

"Als Randsportlerin", sagt sie, "ist man gezwungen, sich Gedanken über die Zukunft zu machen." Vom Synchronschwimmen kann man nicht leben. Das Positive daran: "Es gab nie die Möglichkeit, es wegen des Geldes zu machen. Ich musste es immer aus Freude machen."

Schwierige Suche nach Partnerin

Aus Freude sprang sie auch in den vergangenen drei Jahren ins Wasser, bloß die Begleitumstände waren weniger spaßig. 2013 beendete Livia Lang, mit der Brandl bei Olympia 2012 in London angetreten war, nach einer gesundheitsbedingten Auszeit ihre Karriere. Im selben Jahr tat sie sich mit der damals 15-jährigen Charlotte Formanek zusammen. Die Partnerschaft hielt nur wenige Monate, bis zum Frühjahr 2014. Brandl: "Sie hat sich nicht bereit für die Olympia-Vorbereitung gefühlt."

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Brandl sieht ihre Karriere im Rückblick "total positiv".
Foto: Reuters/Michael Dalder

Mit der Einbürgerung der Drillingsschwestern Anna-Maria, Eirini-Marina und Vasiliki-Pagona Alexandri im Juni 2014 ergab sich eine neue Hoffnung auf eine Partnerin. Aber Vasiliki-Pagona wollte nicht gegen ihre Schwestern um einen Olympia-Startplatz antreten. Brandl verstand die Entscheidung, sie hätte sich aber gerne der Konkurrenz gestellt. "Es ging mir um die Chance."

Mutiger Auftritt bei Pressekonferenz

Danach trat Brandl nur noch solo und schließlich gar nicht mehr an. Einen großen Auftritt legte sie vor einem Jahr abseits des Schwimmbeckens hin. Bei einer Pressekonferenz sollte sie über Verbesserungen des in Turbulenzen geratenen Schwimmverbandes (OSV) berichten. Brandl aber sah keine Verbesserungen, tat dies kund. "Um über den Verband zu reden, wurde eine Athletin eingeladen, der man ein halbes Jahr nur Steine in den Weg gelegt hat", sagte sie damals, und: "Mir fehlt das Vertrauen in den OSV."

Ein Jahr später mag sie dem OSV nichts Böses nachwerfen. "Ich verüble Niemandem mehr etwas." Das Synchronschwimmen wird Teil ihres Lebens bleiben. Rio, Las Vegas, Wien – nicht alles ist planbar. Der Sport hat ihr viel gegeben. "Vor allem bin ich der Mensch geworden, der ich bin." (Birgit Riezinger, 22.3.2016)