Als im Juni 2015 die ersten Asylwerber ins Flüchtlingstransitquartier Wien-Erdberg einzogen, protestierte die FPÖ sogar angesichts der ankommenden kleinen Kinder.

Foto: Screenshot Tweet Christandl

Wien – Mit Beginn der starken Fluchtbewegung nach Österreich im vergangenen Jahr habe die Hetze gegen Asylsuchende stark zugenommen. Die negative Stimmungsmache finde vor allem im Internet und via soziale Medien statt, wobei die beachtliche Zunahme gemeldeter rassistischer Übergriffe (siehe Grafik)fast ausschließlich auf dieses Konto gehe.

So weit die Hauptaussage des am Montag präsentierten alljährlichen Befunds des Vereins Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit (Zara) für 2015. Neben quantitativen Erhebungen und der Schilderung konkreter Fälle bietet er diesmal auch Aufschlüsse zur zunehmenden Verbreitung rassistisch motivierter Politik in Österreich. Tatsächlich, so Zara-Geschäftsführerin Claudia Schäfer, scheine der Rassismus vergangenes Jahr "endgültig ins Spektrum des politischen Handlungsspielraums aufgenommen worden" zu sein.

Lokal- und Hallenbadverbote

Das zeige sich zum Beispiel daran, dass Falschmeldungen über Flüchtlinge 2015 vielfach für bare Münze genommen worden seien, was zu der in Teilen der Bevölkerung virulenten Anti-Asylwerber-Stimmung massiv beigetragen habe. Vorfälle wie die vielkritisierte Protestaktion von FPÖ-Funktionären in Wien-Landstraße gegen neu ankommende Flüchtlingsfamilien mit kleinen Kindern kämen nicht von ungefähr. Auch die 2015 für Aufregung sorgenden Lokal- oder Hallenbadverbote für Flüchtlinge seien in diesem Zusammenhang zu sehen.

Als Falschmeldungsbeispiel nennt der Zara-Bericht, neben einer Reihe vergleichbarer Fälle, die Affäre rund um ein Facebook-Posting von FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache Ende September 2015. "Fundstück! Ein Bürger berichtet im Netz!", hatte der Politiker die erfundene Schilderung von Supermarkt-Plünderungen durch Flüchtlinge eingeleitet.

"Anweisung" an Presse

Auch die Falschinformation, wonach die Presse angewiesen worden sei, über die Vorfälle nicht zu schreiben, ließ Strache stehen. 5000-mal, so Schäfer, sei sein Posting geteilt worden, mit zum Teil hetzerischen Zusatzbemerkungen anderer User – bevor er es, unkommentiert, löschte: Die genannten Supermärkte hatten versichert, nicht geplündert worden zu sein.

Derlei Gerüchtestreuen geht laut Zara mit der Verbreitung rechtsextremer Hassparolen Hand in Hand: Ein weiterer aufgegriffener Fall betrifft etwa einen Thread der Facebookgruppe "Österreicher zuerst". Darin wurde gefordert, "die Kz (Konzentrationslager der Nazis, Anm.) wieder zu eröffen, denn da hätten die Asylanten-Migranten genug Platz, um sich auszutoben".

Facebook winkte ab

Zara meldete die Gruppe bei der zuständigen Stelle im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung – und beanstandete sie darüber hinaus über die Meldefunktion von Facebook. Die dortige Reaktion war ernüchternd: Die Inhalte der Gruppe würden "nicht gegen die Gemeinschaftsbestimmungen verstoßen", hieß es. Dennoch waren manche Kommentare einige Zeit später nicht mehr zu finden.

Im Geltungsbereich österreichischen Rechts hätten sich mit Jahresbeginn 2016 in solchen Fällen die Möglichkeiten der Gegenwehr verbessert, meinte dazu Zara-Mitarbeiterin Lilian Levai. Mit der 2015 beschlossenen Novelle des Verhetzungsparagrafen seien weitere Gruppen in den Schutz miteinbezogen worden. So könne nun auch die Hetze gegen Ausländer, Migranten, Flüchtlinge und Asylwerber allgemein geahndet werden.

Kontraproduktiv: "Festung Europa"

"Wie die gesetzliche Neuregelung angewandt wird, muss jetzt abgewartet werden", sagte Levai. Doch sie gehöre zu den "Positivmeldungen" von 2015, ebenso wie das massive Engagement zivilgesellschaftlicher Gruppen in der Flüchtlingshilfe, als 2015 besonders viele Schutzsuchende kamen. Leider werde dieses Engagement durch die Flüchtlinge ablehnende Diktion von Regierungspolitikern konterkariert, meinte dazu die Leiterin der Zara-Beratungsstelle, Dina Malandi: "Wirklich erschreckend ist, wenn die Innenministerin offen eine 'Festung Europa' befürwortet". (bri, 21.3.2016)