Der würdelose Empfang, der Barack Obama auf Kuba bereitet wurde, ist Wasser auf die Mühlen seiner Kritiker. Diese lehnen nicht nur die Aussöhnung mit dem repressiven Inselstaat ab, sondern werfen dem Präsidenten überhaupt vor, die US-Führungsrolle in der Welt in den vergangenen sieben Jahren verspielt zu haben: Er lasse Amerikas traditionelle Verbündete im Stich und spiele den Feinden in die Hand. Er habe dem Chaos des Arabischen Frühlings zugesehen und agiere hilflos gegenüber dem "Islamischen Staat" (IS) und anderen Jihadisten. Er vernachlässige Europa, stünde zu wenig hinter der Ukraine und habe Russland die Rückkehr in die syrische Arena ermöglicht. Er gebe China einen Blankoscheck im Südchinesischen Meer und im Außenhandel. Er verrate Israel und Saudi-Arabien zugunsten des Iran; und lasse sich von den Castro-Brüdern im eigenen Hinterhof vorführen.

Tatsächlich wirken die USA so schwach wie noch nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Und auch wenn Außenpolitik für die meisten Amerikaner ein Nebenthema ist, so hängen sie dennoch an der Idee der globalen Führungsmacht – und verfallen in großer Zahl den Versprechungen eines Donald Trump, er werde "Amerika wieder groß machen".

"Don't do stupid stuff"

Aber das, was rechte Kritiker als Politik des Niedergangs verdammen, kann auch als vernünftiges Navigieren in einer zunehmend komplexen Welt verstanden werden. Zumindest Obama sieht es so, wie man seinen Worten in Jeffrey Goldbergs großem "Atlantic"-Artikel über die "Obama-Doktrin" entnehmen kann. Der Präsident analysiert demnach Krisenherde wie ein Politikwissenschafter und stellt sich stets die Frage, wo politische und militärische Ressourcen am wirkungsvollsten eingesetzt werden können. Sein Hauptbestreben ist es, keine groben Fehler zu machen ("Don't do stupid stuff") und sich weitgehend von überholten außenpolitischen Konventionen zu befreien.

Das Ende der Isolation Kubas passt da genauso hinein wie der Atomdeal mit dem Iran und die zunehmende Distanz zu Saudi-Arabien. Obama verbindet hier persönliche Überheblichkeit – er hält sich für klüger als alle anderen Staatschefs – mit nationaler Bescheidenheit: Die USA können einfach nicht alle Probleme der Welt lösen. Managen statt führen ist die Devise dieses Präsidenten.

Rationalismus

Ein solcher Rationalismus wäre unzureichend, wenn die USA wieder mit aggressiven, aufstrebenden Mächten konfrontiert wären. Mit Vernunft wurde Adolf Hitler einst nicht gestoppt, und auch die Eindämmung des Kommunismus benötigte gelegentliche Muskelspiele.

Aber der große neue Feind des Westens ist nicht in Sicht. Wladimir Putins Russland und Xi Jinpings China haben ebenso viele eigene Probleme, wie sie ihren Nachbarn machen, und sind selbst von Abstiegsängsten geplagt. Der IS verliert an Boden – auch dank einer US-Politik der kleinen, aber nicht immer wirkungslosen Schritte.

Auf die Frage, was Obama anders hätte machen sollen, haben seine Kritiker nur selten überzeugende Antworten parat. Hillary Clintons Ruf nach mehr Aktivismus ist – auch angesichts des Fiaskos der von ihr betriebenen Libyen-Intervention – hoffentlich nur Wahlkampfrhetorik. In einer ungewissen, zerrissenen Welt fehlt es Obamas Amerika sicher nicht an Stärke. Und ob gewisse außenpolitische Entscheidungen klug waren oder nicht, das weiß man erst im Nachhinein. (Eric Frey, 21.3.2016)