Wien – Landläufig herrscht Konsens darüber, dass der menschliche Körper Winkel aufweist, die Sonnenstrahlen nicht ohne erheblichen, das Ansehen einer Person nicht gerade hebenden Aufwand erreichen. Schon das Einbeziehen der fernen Sonne für so ein all zu nahes Dunkel verdeutlicht unsere Schamhaftigkeit. Wiewohl wir sie alle haben, sprechen wir nicht gerne über diese Stellen. In diese Tabuzone wagen sich aus dem gesellschaftlich anerkannten Bereich nur der deutsche Schlager und Proktologen. In dieser Reihenfolge. Die Schamlosigkeit des Schlagers überwindet selbst diese Grenze. Schlager bedeutet Härte, im Geben wie im Nehmen.

Herwig Zamernik kokettiert als Fuzzman mit dem Fach. Und er interpretiert es mehrdeutig. Im Verband mit den Singin' Rebels besingt der Kärntner Musiker und Produzent die kleinen und großen Dinge des Lebens. Die Liebe, Enttäuschungen, den Damenschwips, die Anbahnung zwischen den Geschlechtern, mögliche und unmögliche Leute.

Herwig Zamernik (gelb, Gitarre, Gesang) ist Fuzzman. Jozej Stikar (rosa, Tasten), Stefan Gfrerrer (grün, Bass) und Richard Klammer (blau, Felle, Bleche, Tschik) sind die Singin' Rebels.
Foto: Niki Meixner

Eben hat Fuzzman mit den Rebels ein neues Album veröffentlicht und ist damit ab heute auf Österreichtournee. Darauf befindet sich das Lied Die Sonne und das Glück. Zu Fünf-Uhr-Tee-Groove singt Fuzzman in schmeichelndem Idiom Texte wie "Weil dir die liebe Sonne aus dem Arsch scheint / hältst du ihn hin / und leuchtest mir den Weg ins Glück."

Im Gepasche einer Carmen-Nebel-Show würden diese Zeilen wahrscheinlich gar nicht auffallen, zumal die vier Herren so adrett gekleidet sind. Erst wer genau hinschaut, erkennt auf den bunten Hemden und den reinweiß wirkenden Hosen Spuren menschlicher Schwachstellen: Flecken verschiedener Provenienz, geplatzte Nähte, Fadenscheiniges. Vom Geruch ganz zu schweigen.

So ist es auch mit der Musik von Fuzzman. Er spielt eine Art Subversionsschlager. Immer knapp neben der Spur betrachtet er vermeintlich harmlose Themen gerne leicht verdreht. Mit falschem Lächeln serviert er echte Frechheiten. Das kennt man aus der Politik, ist aber in Fuzzmans Fall schöne Kunst, weil sie, im Gegensatz zur Politik, ohne betrügerische Absicht dargebracht wird. Wir sind hier im Unterhaltungsfach, und dorthin flieht man vor der Wirklichkeit.

redelsteiner

In der Scheinwelt des Schlagers empfangen elende Alleinunterhalter ihre dankbaren Opfer, und dort lehnt auch Fuzzman an der Bar. Man hat ihm irrtümlich Einlass gewährt. Irgendwie entspricht er ja.

In dieser Begegnungszone empfängt er "sexy Signale" und gesteht seinerseits, "ich möchte sexy sein mit dir". Er begibt sich auf Grenzgänge zwischen Gefühlen und Floskeln, die die Rebels mit wimmernder Orgel und billigen Rhythmen begleiten. Die Ergebnisse dieser Ausflüge zählen zum Originellsten, das Österreich musikalisch zu bieten hat. Zamernik balanciert am Abgrund. Dabei tänzelt er hin und wieder ins ernste Fach und schiebt eine Ballade wie Strassenhund aus dem Handgelenk. Dort kolonivitst die Orgel zwar beträchtlich, aber natürlich zählt auch in diesem Fall die Kunst des Zitats.

Zärtliche Rempler

Mit großer Verve setzt sich diese Band zwischen die Stühle. Manche Lieder klingen wie Indie-Hits, sind aber zu raffiniert für die einfach gestrickte Klientel. In anderen überschreitet Fuzzman für den Flow des Songs die Sprachgrenzen und verfällt für ein paar Zeilen ins Englische. Lässig, locker. Ein cooler Hund, dem seine Band immer dann einen zärtlichen Rempler gibt, wenn er Gefahr läuft, berechenbar zu werden. Das passiert selten.

Mit der Band Wanda und dem Nino aus Wien spielen Fuzzman und die Singin' Rebels im Herbst auf einem Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer. Fuzzman und seine Rebellen werden sie alle in die Tasche stecken. Die Mitstreiter und das Publikum. (Karl Fluch, 22.3.2016)