Noch können die prächtigen Blauracken in ihrem letzten Rückzugsgebiet in der Steiermark beobachtet werden. Doch ohne Auffrischung des Genpools ist das Aussterben der Vögel in Österreich nur eine Frage der Zeit.

Foto: BirdLife/Michael Tiefenbach

Die Blauracken legen auf ihrem Zug zwischen den Winterquartieren im südlichen Afrika und den Brutplätzen im Norden tausende Kilometer zurück.

Foto: Michael Tiefenbach

Verschiedene Blauracken-Bälge unterschiedlicher Herkunft aus der Sammlung des Naturhistorischen Museums.

Foto: NHM Wien/Berg

Die untersuchten Bälge weisen zum Teil ein erhebliches Alter auf, wie dieses Exemplar aus dem Wiener Prater aus dem Jahr 1874.

Foto: NHM Wien/Schumacher

Wien – Wenn Anfang Mai die Blauracken aus dem südlichen Afrika in ihr Brutgebiet in der Südoststeiermark zurückkehren, wird Michael Tiefenbach zur Stelle sein. Seit dem Jahr 2000 betreibt der Biologe das Monitoring der prächtig gefiederten Vögel. Diese Bestandserhebung ist die Grundlage für den Schutz der in Österreich stark bedrohten Art. Nun soll eine Untersuchung der genetischen Vielfalt der Tiere eine Basis für mögliche Rettungsmaßnahmen der Reliktpopulation bilden.

Der Weitstreckenzieher mit dem wissenschaftlichen Namen Coracias garrulus fällt nicht nur mit seinem bunten Federkleid auf, auch mit seiner Stimme bereichert er seine Umgebung. Sowohl der Gattungsname, der sich vom griechischen "kórax" für Rabe ableitet, als auch der Familienname Racken stellt eine onomatopoetische Beschreibung der krächzenden "Rack"-Rufe der Vögel dar. Der Artname garrulus wiederum kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "schwätzend".

Poppige Verwandte

Auch die Verwandtschaft der Blauracken ist ausgesprochen illuster, zählen doch die ebenso poppig gefärbten Bienenfresser und Eisvögel auch zu der Ordnung der Rackenvögel. Die Evolution der Gruppe ist bis ins Eozän zurückverfolgbar.

Nur noch zwischen zwei und 20 nistende Brutpaare der Blauracken konnten in den vergangenen drei Jahrzehnten pro Saison in der Steiermark gezählt werden. Das Siedlungsareal bei Stainz zwischen Bad Gleichenberg und Bad Radkersburg im Grenzgebiet zu Slowenien ist der kümmerliche Rest eines einst viel größeren Verbreitungsgebietes der Rackenvögel auf österreichischem Boden. Um 1880 waren die Blauracken nicht nur in der gesamten Süd- und Oststeiermark heimisch, sondern siedelten auch im Kärntner Drautal, fast im gesamten Burgenland und im südlichen Niederösterreich bis Wien.

Aber auch in weiten Teilen Europas waren die Vögel früher verbreitet. So malte der Nürnberger Renaissancekünstler Albrecht Dürer im Jahr 1512 zwei Aquarelle eines ausgebreiteten Blaurackenflügels und einer toten Blauracke. Beide Bilder befinden sich heute in der Sammlung der Wiener Albertina. Heute kommt C. garrulus nur mehr im Süden und Osten Europas vor, mit vielerorts sinkenden Zahlen.

Während Anfang der 1950er-Jahre noch rund 270 Brutpaare in der Steiermark nisteten, nahm ihre Zahl vor allem in den 1970er-Jahren dramatisch ab. Schuld am Rückgang ist vor allem die intensive Landwirtschaft. Im Jahr 2009 führte schließlich schlechtes Wetter zu großen Ausfällen beim Nachwuchs, sodass die Zahl der adulten Tiere 2011 und 2012 nur noch bei einem Dutzend lag.

Für Tiefenbach ist die Hartnäckigkeit bewundernswert, mit der sich die Blauracken in der Steiermark dem Aussterben widersetzen. Seit einigen Jahren sind alle Altvögel mit Ringen markiert, die Beobachtungen weisen darauf hin, dass kein Austausch mit anderen Populationen wie jener in Ungarn stattfindet.

Die Tiere sind extrem standorttreu und kehren immer wieder in ihr angestammtes Gebiet zurück. Daher führt die geringe Zahl der Individuen zwangsläufig zu einem genetischen Flaschenhals und einer drohenden Inzuchtdepression. Die Zahl der nichtbrütenden Tiere hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, was ein Anzeichen für eine sinkende Fertilität sein könnte. Damit wäre ein Aussterben der Blauracken in Österreich nur eine Frage der Zeit.

Verhindert werden könnte dies mit Methoden des "Genetic Rescue": Aus stabilen Spenderpopulationen könnten gezielt Nestlinge in die Nistkästen der steirischen Racken eingebracht werden. Damit derartige Maßnahmen erfolgreich sein können, bedarf es zunächst jedoch umfassender Analysen der genetischen Variabilität.

Daher werden am Naturhistorischen Museum in Wien (NHM) in einem gemeinsamen Projekt mit Tiefenbach, Birdlife Österreich und dem Konrad-Lorenz-Institut Proben der heimischen Vögel und Individuen aus anderen nahen ebenso wie weiter entfernten Nistgebieten erforscht. Von den steirischen Racken wurden bereits seit 2005 Blutproben und auch Federn von insgesamt 72 verschiedenen Tieren gesammelt, diese werden mit Daten von vor allem ungarischen Populationen ergänzt. Zum Vergleich werden Proben von historischen Präparaten des NHM, des Grazer Joanneums und anderer Institutionen herangezogen. Damit werden zum Teil auch Daten aus Gebieten zusammengetragen, in denen die Blauracken heute gar nicht mehr vorkommen.

Frank Zachos, Zoologe des NHM, rechnet zwar damit, dass bei einem guten Teil der Bälge keine Auswertung mehr möglich ist. Dies ist abhängig vom Alter und den angewandten Präparationsmethoden der einzelnen Proben – der älteste Balg stammt ungefähr von 1810. Trotzdem sollten die Gentests im Museumslabor ausreichende Resultate liefern.

Das Ziel des Projekts ist es, den Inzuchtgrad der heimischen Blauracken zu quantifizieren und eventuell passende Populationen zu identifizieren, mit denen ein genetischer Austausch durch den Transfer von Jungtieren sinnvoll wäre. Diese dürfen weder zu unterschiedlich noch zu nahe verwandt sein.

Verbesserte Lebensräume

Doch auch wenn als Resultat der Genanalysen die steirischen Blauracken in der Folge eine Blutauffrischung durch potenzielle Spenderpopulationen erhalten, kann es sich nur um einen Teil der Problemlösung handeln. Denn diese Maßnahme würde nur das Aussterben verzögern, wenn nicht gleichzeitig die eigentliche Ursache des Verschwindens der Blauracken bekämpft würde. Wesentlich ist hierbei eine Verbesserung der Lebensräume für die Vögel.

Nur wo halbwegs extensive Landwirtschaft betrieben wird, haben sie eine Chance zu überleben. Wegen der Reduzierung der Viehwirtschaft wurden früher Wiesen durch Maismonokulturen ersetzt, und kleinparzellige Ackerflächen verschwanden. Die Blauracken benötigen jedoch diese Habitate für ihre Ansitzjagd auf große Insekten wie Maulwurfsgrillen und Heuschrecken. Über Vertragsnaturschutzprogramme wird daher versucht, dass diese Jagd- und Lebensräume der Blauracke wieder entstehen und ihr so eine Zukunft ermöglichen. (Michael Vosatka, 25.3.2016)