Foto: APA/AFP/BELGA/NICOLAS MAETERLINC

Nicht immer schaffen es die Premierminister des kleinen Belgien zu europäischer Bedeutung – und auch Charles Michel, der aktuelle Regierungschef, hatte nach seinem Amtsantritt im Oktober 2014 nicht unmittelbar als grenzübergreifend wichtig gegolten. Erst die Anschläge von Paris und Brüssel rückten den Regierungschef ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Dabei hatte der heute 40-jährige Liberale eine wahre Bilderbuchkarriere hingelegt: Schon mit 18 Jahren wurde er ins Regionalparlament in Wallonisch-Brabant gewählt, fünf Jahre später ins EU-Parlament. Danach folgten Ämter als Bürgermeister und als Minister in mehreren belgischen Regierungen. Premier wurde er mit 38 Jahren, als jüngster Regierungschef seit 1845.

Kaum abzustreiten ist, dass dem jungen Charles Michel dabei neben seinem großen Ehrgeiz auch familiäre Bindungen geholfen haben: Er ist der Sohn des früheren belgischen Außenministers und ehemaligen EU-Kommissars Louis Michel, der es nach der schwarz-blauen Regierungsbildung im Jahr 2000 in Österreich zu Bekanntheit gebracht hatte. Vater Michel hatte damals angekündigt, wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ seinen Skiurlaub absagen zu wollen.

Dass Sohn Michel, wegen seiner äußerlichen Ähnlichkeit zum Vater lang nur als "der kleine Michel" bezeichnet, auch selbst das Geschäft der Politik beherrscht, hat er spätestens mit der Regierungsbildung bewiesen: Seine liberale Partei Mouvement Réformateur (MR) ist die einzige französischsprachige in der aktuellen Vierparteienkoalition. Den Balanceakt mit seinen drei flämischen Partnern, darunter die nationalistische Nieuw-Vlaamse Alliantie N-VA, hat er bisher gut gemeistert, sagen belgische Beobachter – auch wenn er viele Reformvorhaben nur zögerlich angegangen ist.

Der Erfolg im politischen Balancespiel mag auch daran liegen, dass der Premier schon früh für ein politisches Leben im zersplitterten Staat vorgesorgt hat. Wohl nicht zufällig hat er etwa ein Jusstudium im niederländischen Amsterdam und nicht in Belgien oder Frankreich absolviert.

Mehrfach hat der Vater zweier Kinder sein Image des stets ernsten Ehrgeizlings beklagt. Wer ihn kenne, wisse, dass er ein lustiger Kerl sei, der sich gern mit seinem Motorrad beschäftige, sagte er im Vorjahr belgischen Medien. Schon kurz zuvor hatte er sich in Klatschmedien an der Seite seiner Langzeitpartnerin Amélie Derbaudrenghien präsentiert. (Manuel Escher, 22.3.2016)