Aus dem Alarmismus der permanenten Bedrohungslage entstünden vielfach ein ängstlicher Blick auf die Zukunft und ein in sich gekehrtes Betriebsklima. Wie "Mehltau" legten sich dann das Zögerliche, Vorsichtige und Beharrende über alle Vorstandsdebatten und Managemententscheidungen, konstatiert Franz Kühmayer, nach seinen operativen Jahren in der Führung nunmehr Trendforscher am Zukunftsinstitut in seinem aktuellen Digital Leadership Report.

Erfahrungsgemäß wächst dort kein ermöglichender Führungsstil, blühen dort weder Freiheit noch Kreativität, weder Mitbestimmung noch Vertrauen und Offenheit, kurzum nichts, was digitaler Transformation des Geschäftes dienlich wäre."In diesem Klima blüht ein Führungsstil, der immer neue Kontrollinstrumente schafft, um für Stabilität zu sorgen. Dieses systemerhaltende Mikromanagement auf allen Ebenen verhindert notwendige Veränderungen und steht der Innovationsbereitschaft des Betriebes diametral gegenüber."

Aufbruch!

Also rüttelt Kühmayer an den Teetischen des gesellschaftlichen Biedermeier und verordnet Lockerung für erstarrte Entscheider. Schließlich lebten wir "geradezu in einer prototypischen Aufbruchszeit". Mut ist also gefordert. Auch wenn der Hafen der sicherste Platz für ein Schiff sei, bemüht Kühmayer eine maritime Metapher: Schiffe werden nicht für Häfen gebaut. "

Unternehmen werden künftig nicht mehr geführt, indem hoch an der Spitze der Kapitän und seine Brücken-Crew den Blick in die Zukunft richten und das Ruder fest in der Hand haben", schreibt Kühmayer. Es gehe jetzt um das Schaffen ermöglichender Rahmenbedingungen zwecks Selbstorganisation.

Sein Appell verpackt in ein Rollenprofil echter Leader, die in eine spannende Zukunft führen, statt paralysiert in Bedrohungsszenarien steckenzubleiben: "Manager verteidigen Marktanteile und Besitzstände. Leader verschieben und verrücken Grenzen, um die Verhältnisse in ihrem Sinn verändern zu können. Sie tun dies als selbstständige Unternehmer oder als Intrapreneure innerhalb von Unternehmen.

Leadership als Dienstleistung

Unabhängig von ihrem Dienstverhältnis ist es ihr Wesen, unternehmerischem Handeln zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu gehört auch, ganz bewusst anders zu sein, weil man die Lage anders beurteilt." Das klingt aufs Erste nicht nach demokratischer Augenhöhe – das kommt aber noch, wenn eine andere Fehlertoleranz eingefordert wird, wenn das Ermöglichen in den Mittelpunkt zeitgemäßer Leadership rückt. Leadership als Dienst am Mitarbeiter quasi.

Foto: Der Standard

Dabei ist vor allem der Mut angesprochen, Räume und Chancen zu schaffen, damit sich Mitarbeiter weitgehend selbst organisieren können. Dazu der Mut, Partizipation zuzulassen. Der Mut, Verantwortung zu delegieren. Und der Mut zu organisationalen Reformen – Aufbrechen von Informations- und Kooperationshemmnissen, Abschaffen von Fürstentümern und Machtsilos.

So, dass transparente und offene Informations- und Kommunikationsplattformen etabliert werden können. Ob das gleich in der Auflösung der Aufbauorganisation mündet, ist damit (noch) nicht gesagt. .Ja, ob Entscheider sich auf diesen Weg machen, ist eine Frage des Menschenbildes, da geht es nicht bloß um Strukturen und widerstreitende (Eigentümer-)Interessen: Glaubt man in der Führung daran, dass Mitarbeiter sich einbringen können und wollen, dass sie imstande sind, selbstverantwortlich für das gemeinsame Ganze zu arbeiten? Oder steckt man im alten Anweisen, Überwachen, Exekutieren fest? Steht man einander weiter im Weg, oder macht man sich gemeinsam auf ins Digitale.

Engagement befördert Output

Zur Erinnerung dazwischen: Zwischen engagierten, unternehmerisch denkenden Mitarbeitern und den obersten Plätzen eines Unternehmens in den Rankings der Innovativsten besteht wissenschaftlich gut dokumentierte Korrelation. Unternehmen mit engagierten Mitarbeitern schaffen mehr Output, haben loyalere Kunden und weisen deutlich bessere finanzielle Performance auf.

Konkret zum Thema Nummer eins: Die Transformation zu einem digitalen Business ist eine holistische Sache, also Chefsache. "Digitale Exzellenz lässt sich nur dann erreichen, wenn die Verantwortung dafür in der obersten Führungsebene verankert wird." Das betreffe nicht nur die operative Führung, sondern auch den Aufsichtsrat. Dass es in diesen Gremien für ein Überleben im Digitalen auch der Reformen bedarf, ergibt sich als Schlussfolgerung notgedrungen.Das konkrete Wie in den kommenden fünf Jahren ist kaum je sichtbar, die meisten Unternehmen experimentieren und lernen, üben Navigieren durch das digitale Meer. Das werden nicht Firmen, nicht alle Leader, überstehen. Ob Roboter nun schon bald auch an Chefsesseln sägen oder nicht. (Karin Bauer 26.3.2016)