"Eine gute Lösung ist immer eine, die für alle passt", sagt Konfliktberaterin Ursula Wawrzinek.

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Die perfekte Performance als Chef gibt es nicht – "manche Dinge kann man eben und andere weniger", sagt Ursula Wawrzinek, Coach und Konfliktberaterin in München. Aus ihren Beratungen sind ihr vielfältige Ursachen bekannt, deretwegen Führungskräfte in die Kritik ihrer Mitarbeiter geraten können: Spitzenreiter ist, wenn der Chef oder die Chefin keine Zeit für Führung hat.

Oder frisch in ein Unternehmen kommt und nach dem Motto "Neue Besen kehren gut" die Historie nur unzureichend würdigt. "Schließlich kann es auch an der Person selbst liegen", sagt Wawrzinek. Jemand zeigt beispielsweise mangelnde Führungskompetenzen oder pflegt einen schlechten Stil. Wer zum Beispiel seine Mitarbeiter anschreit, erweise sich der Würde seiner Rolle nicht gewachsen."

Zu Missgunst könne es auch kommen, wenn Chefs un zureichend mit ihrem Team kommunizieren, es mit Arbeit überladen oder ihre Lieblinge bevorzugen. Steht der Chef nun über einen längeren Zeitraum hinweg in Kritik, könne ihn das psychisch schwer belasten, sagt Wawrzinek. Wie sie aus ihrer Arbeit weiß, würden gerade Führungskräfte jedoch oft davor zurückschrecken, etwas zu unternehmen, weil sie fürchten, so Schwäche zu zeigen – "oder sie bauen Gegendruck auf und machen es dadurch noch schlimmer".

Die Beraterin gibt Hilfe zur Selbsthilfe: Um dem Konflikt beizukommen, sagt sie, sollten Chefs vorsichtig vorgehen, "keine Schadensbegrenzung machen, sondern eine Ursachenforschung". Erster Schritt: sich darüber klar zu werden, was hinter der Kritik steckt. "Sie müssen herausfinden: Worum geht es eigentlich?", sagt Wawrzinek. Was diese Suche nach Ursachen erschwere, sei, dass sich Mitarbeiter selten trauen würden, Kritik am Chef offen an- und auszusprechen.

Warnsignale für die Führung

"Wenn ihnen etwas nicht passt, äußert sich das meist indirekt. Wenn sich beim Team-Meeting beispielsweise niemand aus der Gruppe mehr mit einer Wortmeldung beteiligt oder Einzelne ironische Witze reißen." Diese Warnsignale, sagt Wawrzinek, gelte es wahrzunehmen und genauestens zu beobachten. Haben sie einen sich anbahnenden Konflikt identifiziert, sollten Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern ins Gespräch gehen.

Wawrzinek empfiehlt Chefs, ihre Beobachtung zu benennen. "Zu sagen, sie haben den Eindruck, dass die Zusammenarbeit nicht funktioniert und sie daran arbeiten möchten, dass sich das bessert." Im Gespräch selbst müssten sie ausdrücklich betonen, dass Kritik ausgesprochen werden darf – und sogar soll. "Hilfreich wäre, wenn Mitarbeiter anhand von konkreten Situationen zu erzählen beginnen." Am Ende des Gesprächs gelte es, sich zu bedanken und anzukündigen, über die Kritik nachdenken zu wollen – um schließlich im Kollektiv mit den Mitarbeitern Maßnahmen zur Beseitigung des Problems auszuarbeiten.

"Eine gute Lösung ist immer eine, die für alle passt", sagt Wawrzinek. "Es ist ein Irrtum, wenn Führungskräfte glauben, sie müssten immer alles allein angehen. Dabei brauchen sie nur ihre Mitarbeiter zu fragen, die wissen ganz genau, was sie brauchen, und können Vorschläge bringen." Ebenso wichtig, so Wawrzinek, sei es, den Konflikt über längere Zeit im Auge zu behalten. "Immer wieder Review-Meetings zu machen, um zu sehen: Ist es besser geworden, wo müssen wir noch nachjustieren?"

Sonderfall Mobbing

Wird ein Chef Opfer von Mobbing-Attacken – in Fachkreisen ist diese Art der Schikane als "staffing" bekannt –, könne er auch hier zunächst durch ein professionelles Vorgehen versuchen, den Mobber zu "outen". Wawrzinek: "Der hat nämlich nur so lange eine Chance, wie die Gruppe die Kritik am Chef teilt." Gehe jemand überlegt mit der Kritik um, würden die Mitarbeiter, die sich nur passiv am Staffing beteiligen, häufig aussteigen und sagen: "Ich finde, das hat er doch jetzt ganz gut gelöst, ich kann jetzt damit leben", sagt die Konfliktberaterin.

In der Folge würde sich der Mobber isolieren. "So kann man ihn als Führungskraft identifizieren und ganz anders mit ihm verfahren." Wawrzinek mahnt jedoch ein, Mobbing keinesfalls mit den Folgen nicht gehörter Mitarbeiterkritik zu verwechseln. Denn reagieren Chefs dauerhaft nicht angemessen auf Anliegen ihres Teams, könne das ebenso dazu führen, dass Mitarbeiter innerlich kündigen oder eben aggressiv und destruktiv werden. Ihr Verhalten wirkt dann wie Mobbing. "Der Unterschied liegt aber in der dahinterliegenden Absicht und Motivation", sagt Wawrzinek. "Beim Mobbing geht es nicht mehr um das konstruktive Lösen eines Konfliktes." Würden Lösungsversuche also gar nicht mehr fruchten, rät die Beraterin, den Mobber abzumahnen oder sogar zu kündigen. (Lisa Breit, 29.3.2016)