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Der Klimawandel verändert die Wassersysteme der Gebirge.

Foto: REUTERS/Mariana Bazo

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Wenn die Gletscher schmelzen, wird das Wasser rar.

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Zürich/Wien – Der Palcacocha-See ist in den letzten Jahren wieder stark angewachsen. Der Gletschersee im Andengebirge Cordillera Blanca im Norden Perus ist berüchtigt. 1941 kam es hier vermutlich durch herabfallende Eismassen zu einem Gletscherseeausbruch. Eine Schlammlawine verwüstete daraufhin die nahegelegene Provinzhauptstadt Huaraz. An die 6000 Menschen starben.

"Die Situation ist wieder kritisch", sagt Christian Huggel. Der Schweizer Gletscherforscher vom Geografischen Institut der Universität Zürich war in den vergangenen Monaten vor Ort, um die Lage am Palcacocha und anderen Gletscherseen einzuschätzen und gemeinsam mit lokalen Behörden und Wissenschaftern präventive Maßnahmen zu koordinieren.

"Gefährliche Ausbrüche könnten in Zukunft häufiger werden, weil es durch den Rückzug der Gletscher voraussichtlich mehr dieser Seen geben wird", erklärt Huggel. "Auch Wände aus Eis und Fels werden tendenziell instabiler", sagt der Forscher. Er hat mit seinen Kollegen unter anderem ein Frühwarnsystem entwickelt, das mithilfe von automatischen Kameras, Erschütterungssensoren und anderer Technik Gletscherabbrüche und Seenausbrüche automatisch meldet. "Das Pilotprojekt war nicht einfach umzusetzen", so der Wissenschafter. "Es gibt kaum Unternehmen im Land, die so ein System implementieren können."

Wasserknappheit droht

Die Häufung von Seenausbrüchen ist nur eine Klimawandelfolge, die mit den Gletschern in den Anden zu tun hat. In Peru sind 70 Prozent der Tropengletscher der Erde zu finden. Trinkwasserversorgung, Landwirtschaft und Wasserkraftwerke sind von ihnen teilweise abhängig. "In der Trockensaison, etwa von Mai bis Oktober, ist die Abhängigkeit von Schmelzwasser aus der Cordillera Blanca sehr groß. Selbst für die exportorientierte Landwirtschaft an der Küste nördlich von Lima ist dann der Gletscheranteil der Wasserversorgung immer noch wichtig", erklärt Huggel. Weiter oben sind es Provinzstädte und kleinbäuerliche Strukturen, die auf das Gletscherwasser angewiesen sind.

Einerseits steigt der Wasserbedarf durch die wachsende Bevölkerung. Andererseits ziehen sich die Gletscher durch die Erderwärmung zurück. "Anfangs nimmt durch den Gletscherrückgang die Schmelzwassermenge zu. Ab einem gewissen Punkt kehrt sich der Trend um und die Wassermenge geht zurück", so der Gletscherforscher. "Dass das einen negativen Einfluss auf die Wasserressourcen der Region hat, ist klar. Es gibt aber noch zu wenig Studien, um den Rückgang genau quantifizieren zu können." Der intensive El Nino werde heuer aber sicherlich für eine starke Gletscherschmelze sorgen.

Anpassungsstrategien

Innerhalb internationaler Zusammenarbeit zwischen Peru und der Schweiz ist Huggel in Projekte involviert, die eine Anpassung an die Veränderungen durch den Klimawandel zum Ziel haben. Dabei geht es etwa um effizientere Wassernutzung durch die Landwirtschaft. "Die Andenbauern arbeiten noch oft mit einer Bewässerungsmethode, bei der die Felder überflutet werden. Es gibt Projekte, die eine Umstellung auf Tröpfchensysteme propagieren." In unbefestigten Kanälen versickert zudem ein Teil des Wassers.

Wassermangel birgt nicht zuletzt hohes Konfliktpotenzial. Kraftwerke, Minen, ausländische Konzerne, die viel Wasser nutzen, stehen Kleinbauern gegenüber. "Gerade bei Konflikten mit hohem Machtgefälle ist es wichtig, dass bessere Verwaltungsstrukturen und starke Institutionen aufgebaut werden, um das Wasser zu managen", so Huggel. "Man muss stärker mit integrativen und partizipativen Ansätzen arbeiten."

Gletscher und regionaler Wasserhaushalt werden auch in den Alpen erforscht. "Der Gletscherrückgang wird in manchen Gebieten Auswirkungen haben", so Huggel. "Man muss sich etwa überlegen, wie man Speicherseen und Wasserkraft besser managt." Die ausgetrockneten Flussläufe im Rekordsommer 2003 haben gezeigt, dass auch Landwirtschaft und Fischzucht betroffen sein können. Und auch Gletscherseeausbrüche kommen in den Alpen vor. (Alois Pumhösel, 27.3.2016)