Im Warteraum des Besetzungsbüros – und damit auch des Lebens befinden sich die Jungdarsteller in "I work, therefore I am".


Foto: Reinhard Maximilian Werner

Wien – "Wenn du nicht weißt, dass du im Herbst oder im Sommer wieder wo bist, ist das Psychostress. Man ertappt sich dabei, dass man sich einen anderen Wert gibt, wenn man arbeitet", sagt Laura Hermann. "Manchen macht das weniger aus, andere zieht es wirklich runter", bestätigt Kollegin Anna Mitterberger. "Damit muss man lernen umzugehen." Aber wie? Gerade arbeiten beide am Burgtheater, spielen in I work, therefore I am – über die unschöne, neue Arbeitswelt. Im Vorgespräch zur Premiere im Vestibül gab das Team dem STANDARD Einblick in den Erarbeitungsprozess.

Und zwar baue das Projekt, eine Kooperation von Junger Burg und Europäischem Theaterhaus zusammen mit zwölf weiteren Jugendtheatern aus zwölf Ländern der EU, auf dem Gedanken auf, "dass Schauspieler exemplarisch sind für das, was zukünftig allen Sparten prognostiziert wird", so Regisseurin Annette Raffalt. Gemeint sind gebrochene Erwerbsbiografien, prekäre Anstellungsverhältnisse, Unsicherheit.

Selbst ehemals sichere Bänke wie Jus oder BWL klappen mittlerweile nämlich unter der Zahl an Absolventen und dem geänderten, reduzierten Personalbedarf der Wirtschaft zusammen. "Wir kennen das schon lange, deshalb können wir vielleicht helfen, Ansätze zu formulieren", schaltet sich Dramaturgin Annette Friebe ein.

Mitte Jänner startete der Probenprozess, eigentlich ist I work, therefore I am ein "Rechercheprojekt". Drei Wochen lang haben sich das Regieteam und das achtköpfige Ensemble, alle Darsteller sind unter 25 Jahre – knapp elf Prozent der Österreicher in diesem Alter scheinen in den Statistiken als arbeitslos auf – Gedanken gemacht, eigene Erfahrungen gewälzt, Interviews geführt, Vorträge besucht. Daraus hat Raffalt einen Text gebaut.

Mindestens das Maximum

Schauplatz ist ein Theatervorsprechen, "ein Bewerbungsgespräch gibt es ja grundsätzlich in allen Jobs", so Raphael Cisar. Hier begegnen die Figuren ihren Gefühlen; der Illusion (Albane Troehler), die sie antreibt und aufrecht hält; dem Narzissmus (Tänzer Frédéric Troehler), der ihnen egomanische Offenbarungen entlockt. Allen voran aber der bleichen Angst (Natalie Heilinger): vor dem Versagen, der Zukunft, sozialem Abstieg. Cisar spielt bravourös die Rolle des Paul. dem der Druck zu viel wird. Da hilft auch – der ironisch vorgeführte – Motivationssprech nichts, zweckmäßiger Optimismus erschöpft ebenso wie ständige Sorgen. Die eierlegende Wollmilchsau als Mindestanforderung, wer ist die schon?

Wie viel Wert gebe ich meiner Arbeit in meinem Leben? Was bedeutet Selbstverwirklichung? Verträgt sich Idealismus mit der Realität? – Darunter lassen sich einige der Fragen dieses Abends subsumieren. Subjektive Antworten ergänzt man um objektive. Dazu steuert Filmerin Sophie Lux Videoeinspielungen von Interviews u. a. mit Vertretern des AMS und der Unternehmerseite bei, die die Fiktion durchbrechen. "Das Triple A in der Kunst? Ausbildung – Abschluss – Arbeitslosigkeit", lautet eines der Statements.

Weniger pointiert ist der Stücktext. Die prägendsten – und lustigsten – Stellen verdanken sich dem Hickhack der Vorsprechsituation. Sonst fallen zwar kluge Sätze, nichts an ihnen ist falsch. Sie sind ein gelungener Überblick über Nöte und Zukunftsperspektiven. Aber man hört ihnen die Programmatik, den Willen zur Aufklärung oft an.

I work, therefore I am bietet keine Lösungsvorschläge an, das sei Sache der Politik, meint Raffalt über ihre letzte Produktion an der Burg, die ihre Jugendschiene neu aufstellen will. Bernhard Singer wird sich als Hans gegen das System emanzipieren, Pierre Golds Charakter sein Glück eine Nummer kleiner finden. "Wir bieten ein paar Ideen an – und hoffen, dass das Publikum sie auch wahrnimmt", wünscht Hermann. (Michael Wurmitzer, 23.3.2016)