Bild nicht mehr verfügbar.

Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang liegt Nachts zum großen Teil im Dunklen.

Foto: AP/Wong Maye-E

Auf nächtlichen Satellitenfotos lässt sich Nordkorea auch ohne Geografie-Kenntnisse leicht erkennen: Es ist der dunkle Fleck, eingeklemmt zwischen der chinesischen Ostküste, Südkorea und Japan, die allesamt in hellem Licht erstrahlen. "Die Energieversorgung ist im Grunde das größte Problem, weil es fast alle Bereiche Nordkoreas betrifft", sagt Bernhard Seliger, der als Leiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Seoul das Land seit 2003 regelmäßig bereist.

Laut Schätzungen der US-amerikanischen Energieinformationsbehörde produziert Nordkorea gerade einmal 19 Milliarden Kilowattstunden im Jahr – nur ein Fünfzigstel im Vergleich zu Südkorea. Mehr als 60 Prozent der Elektrizität stammen dabei aus Wasserkraft. Gleichzeitig leidet Nordkorea alle paar Jahre unter ernsthaften Dürreperioden. Noch immer sind weite Teile der Landbevölkerung im Winter auf Brennholz angewiesen. Die verheerende Entwaldung wiederum erhöht die Gefahr von Fluten und Erdrutschen – ein Teufelskreis.

Selbst im elitären Pjöngjang ist die Stromzufuhr derart prekär, dass laut Angaben von Flüchtlingen die obersten Stockwerke in den Apartmentanlagen der Hauptstadt als besonders unbeliebt gelten – weil die Fahrstühle regelmäßig ausfielen. In den Provinzen stehen Fabriken teilweise tageweise still, weite Teile der Bevölkerung sind komplett von der staatlichen Stromversorgung abgeschnitten.

Seit einigen Jahren jedoch nehmen die Nordkoreaner ihre Energieversorgung zunehmend selbst in die eigene Hand. "Ob in der Stadt oder auf dem Land: Überall sieht man mittlerweile kleine Solaranlagen", sagt der Brite Simon Cockerell von der Tourismusagentur Koryo Tours. Die Kleinsten von ihnen sind 30-Watt-Anlagen, produziert in China, und ab umgerechnet 40 Euro auf dem Markt zu haben. Das ist auch für die wachsende Mittelschicht des Landes erschwinglich. Seit kurzem stellt Nordkorea zusätzlich eigene Solargeneratoren her. "Erneuerbare Energien werden nicht nur von den Behörden toleriert, sondern auch aktiv gefördert", sagt Seliger.

Während die Energieproduktion des abgeschotteten Staates seit 1980 nur unwesentlich zugenommen hat, ist der Bedarf jedoch ungleich gewachsen. Mehr als zehn Prozent der 25 Millionen Menschen im Land besitzen bereits ein Handy, elektronische Geräte werden für immer breitere Bevölkerungsschichten leistbar. Mittels Solaranlagen können die Menschen die Haushaltselektronik unabhängig von der staatlichen Stromversorgung aufladen und LED-Leuchten betreiben.

Das ist besonders für die Landbevölkerung ein immenser Fortschritt, tappte sie doch noch bis vor kurzem nach Sonnenuntergang im sprichwörtlichen Dunkeln. "Primitive Solarkollektoren können natürlich kein Ersatz für die staatliche Stromversorgung sein, aber für die Bevölkerung macht es dennoch einen Riesenunterschied", sagt Seliger.

Keine Kredite der Weltbank

"Günstige Energiequellen wie Solaranlagen sind für Nordkorea deshalb besonders interessant, weil konventionelle Energieinfrastrukturen Milliarden kosten", sagt der Schweizer Felix Abt. Ab 2002 lebte Abt sieben Jahre lang in Nordkorea, unter anderem als Vertreter des Schweizer Energiekonzerns ABB. Damals habe er auch intensive Diskussionen mit dem Energieministerium geführt: "Entwicklungsländer erhalten zum Aufbau ihrer Infrastruktur entsprechend große Kredite von der Weltbank oder der Asiatischen Entwicklungsbank. Nordkorea bleibt der Zugang zu Finanzierungsquellen aus politischen Gründen versperrt." Deshalb seien günstige Energiequellen besonders wichtig für das Land.

In einem Waisenhaus in Haeju, rund 130 Kilometer südlich von Pjöngjang, hat Bernd Göken selbst einmal beim Aufbau einer Solaranlage mitgeholfen. "In vielen Waisenheimen in Nordkorea werden derzeit solche Anlagen gebaut", sagt Göken, der die deutsche Hilfsorganisation Cap Anamur führt. Durch die Solarenergie hätten die Kinder oft überhaupt erstmals Zugang zu warmem Wasser.

Immer wieder hat der Entwicklungshelfer auf dem Land beobachtet, dass Familien während bitterkalter Winter ohne Heizung auskommen mussten, ja nicht einmal Matratzen oder Decken hatten: "Die Leute haben einfach auf dem Boden geschlafen." (Fabian Kretschmer aus Seoul, 26.3.2016)