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Radovan Karadzic am Donnerstag im Gerichtssaal

Foto: AP/Robin van Lonkhuijsen

Den Haag – Kurz vor der Urteilsverkündung versucht der bosnisch-serbische Ex-Präsident Radovan Karadzic das schlimmste Verbrechen im dreijährigen Bosnien-Krieg (1992-95), das Massaker von Srebrenica, herunterzuspielen und auf seine Weise zu interpretieren. Die Vorwürfe seien übertrieben, es seien nur einige hundert Personen erschossen worden, sagte er dem Internetportal BRIN am Mittwoch.

"Keine Übertreibung kann uns helfen, Verständnis und Frieden unter uns zu errichten", sagte Karadzic mit Blick auf gesicherte Berichte, wonach in Srebrenica rund 8.000 Männer und Burschen massakriert wurden. Im Laufe des Prozesses behauptete Karadzic, dass auch jene Einwohner Srebrenicas zu den Opfern des Massakers gezählt worden seien, die in den Kämpfen mit bosnisch-serbischen Truppen ums Leben gekommen seien.

"Kollateralopfer"

Eine eigene Version hatte Karadzic im Laufe des Prozesses auch zur 44-monatigen Beschießung der Hauptstadt Sarajevo durch bosnisch-serbische Truppen. Die 16.000 Todesopfer in Sarajevo seien "Kollateralopfer" der Kriegshandlungen gewesen. Eine Erklärung hatte er auch für die zu Kriegsbeginn errichteten Konzentrationslager für Nicht-Serben bei Prijedor. Die Lager seien ein Versuch gewesen, diese personen in "Schutz" zu nehmen.

Die Ankläger forderten lebenslang für den Angeklagten, Karadzic plädierte auf Freispruch. Es gebe kein vernünftiges Gericht, das ihn verurteilen würde, meinte der einstige bosnisch-serbische Präsident noch am Mittwoch.

Er sei ein unrealistischer Optimist, für den die Republika Srpska einen hohen Preis habe zahlen müssen, sagte dagegen Karadzic' ehemalige Stellvertreterin Biljana Plavsic gegenüber der Belgrader Tageszeitung "Blic" am Donnerstag. Die einzige Frau unter den Angeklagten des UNO-Kriegsverbrechertribunals hatte 2003 selbst auf schuldig plädiert und war darauf zu elf Jahren Haft verurteilt worden.

Karadžić wurde 2008 nach 13 Jahren auf der Flucht festgenommen. Der 70-Jährige ist wegen Völkermords in zwei Fällen angeklagt sowie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Bei einem Schuldspruch droht ihm eine Höchststrafe von lebenslanger Haft. In dem mehr als sechs Jahre dauernden Prozess hatte sich der Angeklagte selbst verteidigt. (APA, 24.3.2016)