Die Polizei steht unter Druck.

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Brüssel/Wien – Nach den Terroranschlägen von Brüssel wächst der Druck auf die belgischen Sicherheitsbehörden. Die Polizei fahndet unterdessen weiter nach einem Komplizen der drei Selbstmordattentäter, der vom Flughafen Brüssel geflüchtet sein soll.

Der Selbstmordattentäter in der Brüsseler Metro war nach Informationen des belgischen Senders RTBF nicht allein unterwegs. Auf Bildern einer Überwachungskamera sei ein zweiter Mann mit einer großen Tasche zu sehen, berichtete der öffentlich-rechtliche Rundfunk Donnerstagfrüh. Unklar sei, ob der Verdächtige bei der Explosion getötet wurde oder ob er auf der Flucht sei. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich zunächst nicht zu dem Bericht. Sie wollte im Laufe des Tages eine Pressemitteilung zum Stand der Ermittlungen veröffentlichen.

Minister boten Rücktritt an

Indes gerät die belgische Regierung mehr unter Druck. Innenminister Jan Jambon und Justizminister Koen Geens stellten am Donnerstag ihre Ämter zur Verfügung, wie ihre Büros der Nachrichtenagentur Belga bestätigten. Nach Berichten mehrerer belgischer Medien lehnte Premierminister Charles Michel die Rücktrittsgesuche ab.

Polizeieinsätze in Brüssel

In der Nähe des Brüsseler EU-Viertels laufen zwei Polizeieinsätze. Die Beamten sperrten ein Gebiet in der Gemeinde Ixelles, wie die Nachrichtenagentur Belga berichtete. Einem Zeugen zufolge war dort in der Früh ein Mann überprüft und sein Wagen durchsucht worden. Die Polizei sei mit vielen Kräften vor Ort, meldete Belga.

In geringer Entfernung lief zeitgleich ein weiterer Einsatz, die beiden Operationen sollten aber nicht in Verbindung stehen. Ob es einen Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom Dienstag gibt, war zunächst unklar.

Die Selbstmordattentäter, die am Dienstag 31 Menschen in Brüssel in den Tod gerissen haben, sind inzwischen identifiziert. Alle drei sind in Belgien geboren und hatten Verbindungen zu den islamistischen Drahtziehern der Anschläge von Paris. Es handelt sich um die Brüder Ibrahim (29) und Khalid (27) El Bakraoui und Medienberichten zufolge um den 24-jährigen Najim Laachraoui, der wegen der Terroranschläge von Paris erst vor kurzem zur Fahndung ausgeschrieben worden war.

Die Staatsanwaltschaft wollte sich am Mittwoch nicht zu den Berichten über die Identifizierung Laachraouis äußern. Sie kündigte eine Stellungnahme für diesen Donnerstag an. Der Jihadist soll im Februar 2013 nach Syrien gereist sein. Anfang September 2015 geriet er – mit falscher Identität unter dem Namen Soufiane Kayal – zusammen mit Salah Abdeslam und Mohamed Belkaid in eine Kontrolle an der Grenze zwischen Ungarn und Österreich. Abdeslam und Belkaid gelten als mutmaßliche Beteiligte der Pariser Anschläge, bei denen im November 130 Menschen getötet wurden.

Abdeslam will ausgeliefert werden

Der vergangene Woche in Brüssel festgenommene Verdächtige der Pariser Anschläge, Salah Abdeslam, stemmt sich nicht mehr gegen eine Auslieferung nach Frankreich. Abdeslam wolle "so schnell wie möglich" an die französischen Behörden überstellt werden, sagte sein Anwalt am Donnerstag nach einer gerichtlichen Anhörung in Brüssel.

Kritik an Belgien

Die Türkei hat das Land nach Angaben von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan bereits im Juli 2015 vor einem der Attentäter gewarnt. Doch trotz des Hinweises, dass der Mann ein "ausländischer terroristischer Kämpfer" sei, sei er von den belgischen Behörden freigelassen worden. Die belgischen Behörden seien am 14. Juli informiert worden, so Erdoğan. Laut Medienberichten handelte es sich um Ibrahim El Bakraoui.

Justizminister Geens betonte, El Bakraoui habe in Belgien keine terroristischen Straftaten begangen. Seines Wissens sei er auch nicht nach Belgien, sondern in die Niederlande abgeschoben worden, sagte Geens dem Sender VRT.

Nach einem israelischen Zeitungsbericht soll der belgische Geheimdienst außerdem konkrete Warnungen vor den Anschlägen in Brüssel bekommen haben. Auch andere westliche Geheimdienste seien im Bilde gewesen, schrieb die Zeitung "Haaretz", nannte allerdings keine Quellen.

EU-Innenminister treffen sich

Die für Innere Sicherheit zuständigen EU-Minister wollen am Donnerstagnachmittag zu einem Sondertreffen in Brüssel zusammenkommen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wies darauf hin, dass konkrete Vorschläge für mehr Sicherheit in Europa seit Monaten auf dem Tisch lägen. Ein ähnliches Sondertreffen gab es auch nach den Anschlägen von Paris.

EU-Experten wollen in der kommenden Woche zudem darüber beraten, wie Flughäfen sicherer gemacht werden können. Für den 31. März sei ein Treffen von Flugsicherheitsexperten der 28 Mitgliedstaaten geplant, teilte ein EU-Vertreter am Mittwoch mit. Am 11. April würden Fachleute für Transportsicherheit zusammenkommen. Eine konkrete Agenda sei noch nicht festgelegt.

Österreich "sekundäres Angriffsziel"

Der Politikwissenschafter Nicolas Stockhammer erkennt indes eine klare Anschlagsgefahr in Österreich. "Dass etwas in Österreich passieren wird, halte ich für ziemlich wahrscheinlich", meinte Stockhammer in der "ZiB 24" am Mittwochabend. In Anbetracht des vergangenen Jahres sei Österreich zu einem "sekundären Terrorziel" aufgestiegen.

Österreich befinde sich nun hinsichtlich der Anschlagsbedrohung in einzelnen Ländern vergleichsweise in einem "Mittelfeld". Das gibt laut Stockhammer, der auch als sicherheitspolitischer Berater des Verteidigungsministeriums tätig ist, "Anlass zur Hoffnung, dass es nicht zu bald passieren wird". Europa werde sich auf einen mindestens 20-jährigen "langatmigen, brutalen Kampf" gegen den Terror einstellen müssen, so Stockhammer. Für den Schutz der Zivilbevölkerung sei bisher "zu wenig getan" worden, dieser müsse verstärkt werden.

AUA fliegt bis Montag nicht nach Brüssel

Die Austrian Airlines streichen alle Flüge zwischen Wien und Brüssel bis inklusive nächsten Montag, den 28. März, kündigte eine AUA-Sprecherin am Mittwochabend gegenüber der APA an. Grund sei die zerstörte Infrastruktur am Brüsseler Flughafen nach dem Terroranschlag. In Brüssel sei derzeit keine Abfertigung der Passagiere möglich.

Auch die deutsche Lufthansa streicht alle Flüge nach Brüssel bis einschließlich 28. März. Das teilte ein Sprecher der Fluggesellschaft am Mittwochabend mit. (red, APA, 24.3.2016)