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Kurz vor der Urteilsverkündung versuchte der bosnisch-serbische Expräsident Radovan Karadžić, das schlimmste Verbrechen im dreijährigen Bosnienkrieg (1992–1995), das Massaker von Srebrenica, herunterzuspielen und auf seine Weise zu interpretieren. Die Vorwürfe seien übertrieben, es seien nur einige Hundert Personen erschossen worden, sagte er zum Internetportal "Birn" am Mittwoch.

Foto: REUTERS /MICHAEL KOOREN

Den Haag – Der bosnisch-serbische Expräsident Radovan Karadžić ist am Donnerstag vom Uno-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen des Völkermordes in Srebrenica schuldiggesprochen worden. Karadžić sei "strafrechtlich verantwortlich" für den Völkermord, sagte Senatsvorsitzender O-Gon Kwon. Karadžić wurde zu 40 Jahren Haft verurteilt. Sein Anwalt kündigte aber an, gegen das Urteil Berufung einzulegen.

In einem Punkt freigesprochen

Insgesamt wurde Karadžić in zehn von elf Anklagepunkten schuldiggesprochen, in einem Völkermord-Anklagepunkt wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Für die sieben ostbosnischen Gemeinden Ključ, Sanski Most, Prijedor, Vlasenica, Foča, Zvornik und Bratunac gebe es keine Beweise, dass ein Völkermord stattgefunden habe, befanden die Richter.

Dem heute 70-Jährigen wurde die jahrelange Belagerung der bosnischen Hauptstadt Sarajevo und eine Kampagne zur Vertreibung bosnischer Muslime und Kroaten aus den Städten des Landes zur Last gelegt. Der Prozess gegen ihn hatte im Jahr 2009 begonnen.

Srebrenica-Massaker

Unter Karadžićs Oberbefehl stürmten serbische Truppen 1995 zudem die Uno-Schutzzone im bosnischen Srebrenica und ermordeten 8.000 muslimische Burschen und Männer. Das Massaker von Srebrenica gilt als schlimmstes Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Wegen Srebrenica hat das Uno-Tribunal bereits mehrere lebenslängliche Urteile gesprochen. Insgesamt wurden 100.000 Menschen im Bosnienkrieg von 1992 bis 1995 getötet.

Karadžić, der im Jahr 2008 nach jahrelanger Flucht in Belgrad festgenommen worden war, versuchte noch kurz vor der Urteilsverkündung die Vorwürfe herunterzuspielen. So seien in Srebrenica nur einige Hundert Personen erschossen worden, sagte er zum Internetportal "Birn" am Mittwoch. "Keine Übertreibung kann uns helfen, Verständnis und Frieden unter uns zu errichten", sagte Karadžić mit Blick auf gesicherte Berichte zur Opferzahl in Srebrenica. Im Laufe des Prozesses behauptete Karadžić, dass auch jene Einwohner Srebrenicas zu den Opfern des Massakers gezählt worden seien, die in den Kämpfen mit bosnisch-serbischen Truppen ums Leben gekommen seien.

Sarajevo-Belagerung

Eine eigene Version hatte Karadžić im Laufe des Prozesses auch zur 44-monatigen Beschießung der Hauptstadt Sarajevo durch bosnisch-serbische Truppen. Die 16.000 Todesopfer in Sarajevo seien "Kollateralopfer" der Kriegshandlungen gewesen. Eine Erklärung hatte er auch für die zu Kriegsbeginn errichteten Konzentrationslager für Nichtserben bei Prijedor. Die Lager seien ein Versuch gewesen, diese Personen in "Schutz" zu nehmen. (APA, 24.3.2016)