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Ein gegen Deportationen gerichteter Schriftzug an der Mauer des Registrierungszentrums auf der griechischen Insel Lesbos. Massenabschiebungen in die Türkei soll es nun doch nicht geben.

Foto: REUTERS/Alkis Konstantinidis

Noch kurz nach dem EU-Türkei-Gipfel in Brüssel vor einer Woche war der Weg für die griechische Regierung klar: Per Gesetz würde Athen das Nachbarland Türkei zum sicheren Drittstaat erklären. Asylwerber könnten somit wieder zurückgeschickt werden, der Flüchtlingsstrom von der türkischen Küste wäre gestoppt.

Das war auch die Position der EU-Kommission, die von den Staats- und Regierungschefs in Brüssel gutgeheißen wurde. Nun rückt Athen von der Idee wieder ab. Die internationale Kritik an der geplanten Massenabschiebung von Flüchtlingen ist zu laut geworden.

Es werde derzeit keinen Gesetzesvorschlag geben, der die Türkei zum sicheren Drittstaat erklärt, bestätigte ein Sprecher der griechischen Regierung dem Standard am Donnerstag. Der Sachverhalt würde gleichwohl noch von Juristen geprüft. Die Sprecherin von Premier Alexis Tsipras, Olga Gerovassili, hatte zuvor mit der Erklärung überrascht, es gebe keine Notwendigkeit für solch ein Gesetz. Asylanträge würden individuell, nicht kollektiv geprüft.

Heftige Stürme

Seit dem Inkrafttreten des Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei am vergangenen Sonntag werden ankommende Migranten in Lagern auf den griechischen Inseln eingesperrt. Wer keinen Asylantrag stellt oder einen abschlägigen Bescheid erhält, soll ab 4. April zur türkischen Küste zurückgebracht werden. Für jeden zurückgenommenen syrischen Kriegsflüchtling verpflichtete sich die EU, einen anderen syrischen Staatsbürger aus der Türkei in die EU umzusiedeln. In der Nacht zu Donnerstag traf erstmals kein einziger Flüchtling auf den Inseln ein; Grund dafür war das heftige Sturmwetter über der Ägäis.

Das Flüchtlingshochkommissariat der Uno, Menschenrechtsorganisationen und internationale Hilfsorganisationen sehen in der Internierung von Flüchtlingen und den geplanten Massenabschiebungen einen Verstoß gegen das Völkerrecht. Die Einstufung der Türkei als ein sicherer Drittstaat, wo Flüchtlingen keiner Bedrohung ausgesetzt sind, sollte diese rechtlichen Bedenken nach Ansicht der EU ausräumen. Athens Rückzieher dürfte die Umsetzung des Flüchtlingsabkommens zeitraubender und schwieriger gestalten.

Griechische Unterschrift

Asylanwälte könnten in Berufungsverfahren argumentieren, die Rückführung ihres Mandanten in die Türkei sei unzulässig, da das Land nun nicht zum sicheren Drittstaat erklärt wurde. Die Asylverfahren in den Hotspots auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros sollen von Justizfachkräften und Übersetzern aus den EU-Mitgliedsstaaten unterstützt werden. Die Rechtsurteile würden aber von einem griechischen Richter unterschrieben.

Während die Internierungslager auf den Inseln bereits voll sind, bleibt die Lage der Flüchtlinge auf dem Festland prekär. Insbesondere in den Wartehallen im Hafen von Piräus, wo weit über 4000 Menschen provisorisch untergebracht sind, und in Idomeni an der geschlossenen Grenze nach Mazedonien ist die Versorgung mit Nahrung unzureichend. Im nicht offiziellen Zeltlager in Idomeni droht zudem der Ausbruch von Epidemien. Eine gewaltsame Räumung stand bevor. (Markus Bernath aus Athen, 24.3.2016)