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Die Steueroase Cayman Islands zeichnet sich nicht nur durch landschaftliche Schönheit aus. Auch Briefkastenfirmen gibt es hier.

Foto: AP/David McFadden

Brüssel/London/Wien – Im Kampf gegen die Steuerflucht großer Konzerne hat die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag ausgearbeitet, der kritische Beobachter gar nicht begeistert. Das von der Londoner Zeitung Financial Times geleakte Papier zu neuen Rechnungslegungsvorschriften würde nämlich erst wieder das Ausweichen auf Steueroasen ermöglichen. Denn die darin vorgeschriebene "länderweise Berichterstattung" für multinationale Konzerne ("Country-by-Country-Reporting") beschränkt sich darin nur auf die Staaten der EU.

Steuerschonende Praktiken

Bekanntlich wollen die Industrienationen die Steuerschlupflöcher multinationaler Firmen möglichst schließen. Praktiken, mit denen Erträge schmalgerechnet werden, sollen nicht mehr so einfach möglich sein: Es sind dies Patentboxen, wo via Lizenzgebühren mit Töchtern Gewinne verkleinert werden. Oder das Gegenrechnen von Verlusten in einem Land mit den Gewinnen woanders. Nach Schätzungen entgehen allein in der EU den Steuerbehörden dadurch jährlich 50 bis 70 Milliarden Euro.

Dreh- und Angelpunkt einer solchen Strategie ist die Bekanntgabe zentraler Firmendaten wie Umsatz, Ertrag und Mitarbeiterstand auf Länderebene. "Es muss klar werden, wo die reale Wertschöpfung eines Konzerns stattfindet. Dort sollen auch Steuern abgeführt werden müssen", sagt Attac-Sprecher David Walch. Im EU-Richtlinienvorschlag aber ist nur vorgesehen, dass diese Firmendaten nur aus der EU veröffentlicht werden müssen. Die Daten aus Nicht-EU-Staaten müssen nur in einer Zahl zusammengefasst werden. "Damit ist firmeninternes Verschieben von Gewinnen weiter möglich", so Walch.

Beispielhaftes Australien

Das Argument der EU-Kommission, dass eine derart weitreichende Berichtspflicht für Unternehmen mit Sitz in der EU wettbewerbsrechtlich diskriminieren würde, lässt er nicht gelten. Denn Australien habe eine ähnliche Regelung bereits eingeführt und verpflichtet auch die inländischen Töchter ausländischer Konzerne dazu, in Sidney weltweite Berichte zu publizieren. Auch für EU-Banken und EU-Rohstoffkonzerne gibt es mittlerweile eine solche weltweite Berichtspflicht, erklärt Markus Meinzer vom Tax Justice Network. Der EU-Abgeordnete Othmar Karas (VP), der die schärferen Transparenzregeln für die Banken mitverhandelt hat, ist auch der Meinung, dass das Country-by-Country-Reporting bei Firmen sich nicht nur auf die EU-Staaten beschränken soll.

Ein weiterer Kritikpunkt am Kommissionsvorschlag: die Grenze von 750 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Nur Unternehmen oberhalb dieser Grenze müssen sich dem automatischen Informationsaustausch mit den Steuerbehörden unterwerfen. Dies sei viel zu generös, meinen Kritiker. In Österreich würden auf Basis des Trend-Top-500-Rankings etwa 140 Unternehmen darunterfallen. In der ganzen EU dürften etwa 6000 Firmen betroffen sein – und zwar nicht nur die bekannten Multis wie Ikea, sondern auch US-Großkonzerne wie Starbucks, Apple oder Amazon.

Mehrzahl der Unternehmen nicht erfasst

Die OECD schreibt in ihrem Bericht "G20 Base Erosion and Profit Shifting Project", dass bei einer 750-Millionen-Euro-Umsatz-Grenze 90 Prozent aller auf Auslandsmärkten tätigen Unternehmen von einer Offenlegungspflicht gar nicht betroffen wären. Wobei derzeit noch gar nicht geklärt ist, wie diese Pflicht zur Transparenz umgesetzt werden soll: Ob die nationalen Steuerbehörden Einsicht bekommen – oder ob die Firmenangaben zu Umsatz, Gewinn und Versteuerung der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden müssen.

Die weitergehende Berichtspflicht für EU-Banken trägt jedenfalls mittlerweile Früchte. Eine kritische französische Bürgerbewegung recherchierte, dass vier französische Banken auf den Cayman-Inseln, einer bekannten Steueroase, 45 Millionen Euro Gewinn erzielt haben – ohne dort über einen einzigen Angestellten zu verfügen. Mit den derzeitigen Vorschlägen der EU-Kommission würden solche offensichtlich steuerschonenden Winkelzüge der Firmen nicht sichtbar, wird bei Tax Justice erklärt. (Johanna Ruzicka, 25.3.2016)