Radovan Karadžić bei der Urteilsverkündung am Donnerstag.

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Den Haag / Sarajevo – Der frühere Präsident der Republika Srpska, Radovan Karadžić, hat sich über seine Verurteilung zu einer 40-jährigen Haftstrafe durch das Haager Kriegsverbrechertribunal überrascht gezeigt. "Das ist katastrophal, ich kann nicht glauben, dass ein solches Urteil gefasst wurde", zitierte die Belgrader Tageszeitung "Večernje novosti" Karadžić am Freitag. Sein Anwalt hat bereits Berufung angekündigt.

Das Urteil basiere auf Spekulationen und Indizien und nicht auf Tatsachen, meinte Karadžić demnach gegenüber seinem Anwalt Goran Petronijević. Auch hätten die Europäische Union, das Gericht und die internationale Staatengemeinschaft selbst nach den Terrorangriffen in Paris und Brüssel nicht verstanden, womit die bosnischen Serben in den Neunzigerjahren konfrontiert gewesen seien, versuchte Karadžić den Bosnien-Krieg (1992–1995) mit den jüngsten Terroranschlägen in Verbindung zu bringen.

Empörung des Boulevards

Empört über den Urteilsspruch zeigte sich auch die regierungsnahe, serbische Boulevardzeitung "Informer". "Welche Schande, eine weitere schreckliche Ungerechtigkeit zum 17. Jahrestag der verbrecherischen Nato-Aggression (1999, Anm.)", titelte das Blatt am Freitag. Serbien werde von Den Haag "vergewaltigt", hieß es dort zudem.

Unaufgeregter gab sich der Großteil der übrigen Printmedien Serbiens. Die Tageszeitung "Blic" verwies darauf, dass im Laufe der Urteilsverkündung auch immer wieder der frühere Militärchef der bosnischen Serben, Ratko Mladić, und der serbische Ultranationalist Vojislav Šešelj als für Kriegsverbrechen verantwortlich angeführt wurden. Das Urteil gegen Šešelj soll nächsten Donnerstag verkündet werden, der Prozess gegen Mladić ist noch im Gange.

Russland: Urteil ist politisch motiviert

Russland kritisiert das Urteil ebenfalls. "Wir sagen seit langem, dass die Arbeit des Internationalen Kriegsverbrechertribunals politische motiviert ist. Alle Fälle, die dort verhandelt wurden, waren einseitig", sagte Vizeaußenminister Gennadi Gatilow am Freitag in Moskau.

Das Urteil sei ungerechtfertigt, erklärte der Vize-Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im russischen Parlament, Leonid Kalaschnikow. "Das ist ein völlig einseitiges Vorgehen des Westens. Die Kosovaren, die man nicht braucht, hat man schon lange laufengelassen, dagegen wird den Serben ein faires Gerichtsverfahren verweigert", sagte Kalaschnikow der Agentur Tass zufolge. Russland gilt als enger Verbündeter Serbiens. (APA, 25.3.2016)