Segeldoyen Hubert Raudaschl hat noch immer viel zu tun.

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Hubert Raudaschl 1970 daheim am Wolfgangsee – schon damals dreimaliger Olympiateilnehmer.

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Wien – Hubert Raudaschl redet schnell, fast ohne Punkt und Beistrich. Und der 73-jährige Salzburger könnte erzählerisch wohl durch sein Leben stürmen wie der West-Nordwest über den Wolfgangsee, wenn es ihm nicht wie die reine Zeitverschwendung erschiene. Steht nicht alles drinnen in der Yachtrevue, Ausgabe 4/2015, unter dem schlichten Titel Firmenporträt Raudaschl, erschienen anlässlich des 50-jährigen Gründungsjubiläums der Raudaschl'schen Segelmacherei am Wolfgangsee? "Besorgen Sie sich das, da ist alles drinnen, ohne Fehler. Und dann stellen Sie Fragen", rät Raudaschl also dem STANDARD.

Der Rat ist gut, denn so bleibt mehr Zeit für das Fleisch der Geschichte, die zur österreichischen Sporthistorie gehört. Der Geschichte vom Bootsbauersohn aus Sankt Gilgen, der olympischer Rekordler wurde, Weltrekordler. Wie auch der Springreiter Ian Millar, "Captain Canada", der zwischen 1972 und 2012 olympisch ritt, trat Raudaschl zehnmal unter den Ringen auf – einmal als Ersatzmann, neunmal als aktiver Segler, zuletzt 1996 in Atlanta bzw. auf See vor Savannah.

Zweimal Silber

Zwei Medaillen gewann er, solo Silber im Finn Dinghi 1968 vor Acapulco, Mexiko, und nochmals Silber 1980 vor Pirita bei Tallinn, heute Estland, damals Sowjetunion, anlässlich der Moskauer Boykottspiele gemeinsam mit Karl Ferstl im Starboot.

Offizielle Rekordlisten sehen Raudaschl zusammen mit dem lettischen Schützen Afanasijs Kuzmins lediglich bei neun Olympiateilnahmen und also an zweiter Stelle, eben weil der Österreicher 1960 in der Bucht von Neapel, bei den römischen Spielen, nicht um Medaillen segelte. Raudaschl selbst sieht das nicht als Schönheitsfehler, denn "ich habe dabei sehr viel gelernt".

Hubert Raudaschl war stets lernwillig. Der Segler von Kindesbeinen an konnte es nach der Schulpflicht kaum erwarten, im Betrieb von Vater Michael in Ried am Wolfgangsee, wo die Familie auch über eine Bootsvermietung gebot, das Handwerk des Bootsbauers zu erlernen. Als Ältester der drei Geschwister war er für die Übernahme bestimmt, "es war die Tradition, ich habe aber auch schon sehr früh Begeisterung dafür entwickelt. Ich hatte die ideale Kombination aus Hobby und Beruf."

Manufaktur

Und Hubert Raudaschl, der mit 16 Jahren erstmals einen österreichischen Segeltitel gewann, hatte Talent und Ehrgeiz. "Beim Bootsbau gibt es auch viele Hilfsarbeiten, das hat mir nicht so gefallen. Beim Segelmachen ist das nicht so, Design hat mich motiviert." Der junge Mann widmet sich auch dieser Sparte mit Leidenschaft, für sie reist er als 18-Jähriger ans Steinhuder Meer, einen See nordwestlich von Hannover. Dort kann er sich, angenehmer Nebeneffekt, mit starken deutschen Finn-Seglern messen. Und er erlernt die Segelmacherei. Sehr viel Know-how kehrt mit ihm an den Wolfgangsee zurück.

Hubert Raudaschl, der sich an der Meisterschule für Boots- und Schiffbau in Travemünde vervollkommnet hat, baut Holzboote, die trotz Aufkommens der Kunststoffboote für Furore sorgen. Nach dem Heim-WM-Titel 1964 und dem Gewinn der EM zwei Jahre später kann er gar in Serie gehen. Zusammen mit der Bootswerft Haitzinger am Attersee werden 770 Finn Dinghis gebaut. Sie gehen weg wie die warmen Semmeln und in alle Welt, "wir hatten nur eine Preisliste, keinen Prospekt, die Leute haben sich angestellt".

Seinerzeit

Der wirtschaftliche Erfolg führt ihn weg aus dem Salzkammergut, er reist mit seinen Booten, wie er es schon Jahre zuvor getan hat. Seinerzeit als Schiffszimmermann im Offiziersrang auf einem 212 Meter langen Stückgutfrachter namens MS Kremsertor, dessen Bau in Bremen er zum Teil beaufsichtigte. "Ich habe sechsmal den Atlantik überquert, ich war in 30 Häfen." Im Jahr, in dem Raudaschls Bootsverkauf so richtig anläuft, sinkt übrigens die im Besitz der Voest und der Schlüssel- Reederei Bremen stehende MS Kremsertor im englischen Kanal ohne Verlust an Menschenleben. Keine Spätfolge seiner Arbeit an Bord, wie Raudaschl trocken sagt, sondern wegen bei hohem Seegang verrutschter Fracht.

Immer eine Antwort

Hubert Raudaschl hat großes Fernweh, und er kann es stillen. "Ich hatte nach Paul Elvström die meisten Einladungen." Dem legendären Dänen eilt der Ruf des nach Titel und Medaillen erfolgreichsten Seglers voraus, Raudaschl der des größten Fachmannes für Boote und Segel, "weil ich jede technische Frage beantworten konnte". Zwischen 1961 und 1976 ist Hubert Raudaschl trotz des Betriebes sehr viel unterwegs, dann tritt die Familie in den Vordergrund. Ehefrau Gabriele bringt eine Tochter und einen Sohn zur Welt. Florian Raudaschl wird 2004 nach seiner Ausbildung in den USA und Neuseeland die Segelmacherei übernehmen. Und er wird eine andere Familientradition fortsetzen. 2012 segelt er vor Weymouth im Finn olympisch.

Die diesbezügliche Karriere des Vaters war gefährdet, als 1972, nach den Winterspielen in Sapporo und dem Ausschluss von Karl Schranz, die Diskussion um den Amateurparagrafen tobte. Hubert Raudaschl sah sich als Halbprofi. Mit ihm verhielte es sich so, wie mit Herrn Kneissl, wenn dieser selbst Abfahrtsskirennen bestreite, hieß es. Erst 1980, mit der Wahl von Juan Antonio Samaranch zum IOC-Präsidenten und der zunehmenden Kommerzialisierung der Spiele, hatten sich die Diskussionen erledigt. Noch lange danach blieben allerdings die Segel der Segler weiß und werbefrei.

(K)eine Ruhe

Hubert Raudaschl ist nur geschäftlich in einer Art Ruhestand, er baut nach wie vor Boote. Die traditionellen Konstruktionen sind ihm ein Anliegen, die Malerei wurde zu einer weiteren Leidenschaft. Porträts und Landschaftsbilder sind es vorwiegend, scharfe Kontraste, satte Farben, klare Linien dominieren. Anlässlich der Vernissage einer Ausstellung würdigt ihn Christian Ludwig Attersee, ein Jugend- und also auch Segelfreund.

"Mittlerweile habe ich schon 80 Bilder gemalt", sagt Hubert Raudaschl, der noch immer viel auf dem Wasser ist, auf dem See, natürlich auf der Adria, der sich darüber hinaus durch seine stattliche Bibliothek liest, "Zeitgeschichte interessiert mich besonders", der im Geschäft vorbeischaut, der Großvater ist. Der Hubert Raudaschl, der Ehrenbürger von St. Gilgen, der Doyen des österreichischen Segelns, hat wirklich allen Grund, schnell zu reden. Fast ohne Punkt und Beistrich. Es gibt ja viel zu tun. (Sigi Lützow, 28.3.2016)