Ulrike Rabmer-Koller, neue Chefin des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, rüstet sich für ein hartes Match, will aber den Ausgleich von Interessen wahren. Es könnte ein Drahtseilakt werden.

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Was an ihr auffällt: Sie fällt auf. Nicht nur, weil sie die erste Frau an der Spitze des männlich dominierten österreichischen Sozialversicherungssystems ist. Sie wirkt weder leutselig-bodenständig (wie viele Arbeitnehmervertreter) noch hemdsärmelig (wie Vorvorgänger Hans Jörg Schelling) noch bubenhaft charmant (wie Vorgänger Peter McDonald).

Ulrike Rabmer-Koller entspricht auch nicht den Vorstellungen, die man sich so von der Chefin einer Baufirma macht. Die zarte blonde Dame im korrekten Businesskostüm könnte eher als Bankmanagerin oder "Business-Lady" durchgehen. Sie spricht ruhig und überlegt, ihr Auftreten ist freundlich und korrekt, fast distanziert. Mitunter hat man den Eindruck, sie bewege sich behutsam auf rutschigem Parkett.

Man kann Rabmer-Koller ja verstehen: Immerhin ist die Oberösterreicherin erst seit Dezember des Vorjahrs Chefin des Hauptverbands.

Dieser, der "Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger", gegründet 1948, ist ein brauner Gebäudeklotz im dritten Wiener Gemeindebezirk, Baustil Gewerkschaftsbarock der 1970er-Jahre. Schon wenn man das Haus betritt, bekommt man eine Ahnung. Dies hier ist kein Schnellboot, das man rasch besteigt und steuert, sondern ein Tanker, dessen Trägheitsmoment in Jahren zu bemessen ist.

8,5 Millionen Menschen sind hier versichert und anspruchsberechtigt – oder anders gerechnet: 22 Sozialversicherungsträger, davon 19 Krankenversicherungen, fünf Pensions- und vier Unfallversicherungen sind unter dem "Dach" Hauptverband zusammengefasst – wobei man sich darunter keine Holding im klassischen Sinn vorstellen darf: "Hier kann man nur etwas bewegen, wenn man Einvernehmen herstellt", sagt Rabmer-Koller, "man muss viele verschiedene Interessen ausgleichen und vermitteln können."

Kommt von außen

Das sollte zunächst kein Problem für sie sein. Rabmer-Koller war zwölf Jahre lang Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich, seit Frühjahr vorigen Jahres ist sie Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich. "Die Sozialversicherung ist kein Neuland für mich", sagt sie bestimmt. Die Betonung hat ihren Grund: Sie ist die erste Hauptverbandschefin, die nicht von einem der Sozialversicherungsträger kam – so gesehen ist sie eine "von außen".

Dazu kommt: Jahrzehntelang galt die oberste Position im Hauptverband als Domäne der Arbeitnehmer – traditionell parteipolitisch, rot dominiert, wenn auch in allen Gremien streng nach Proporz besetzt. Seit die schwarz-blaue Regierung den Hauptverband umfärbte, ist der Chef ein "Schwarzer". Das sorgt schon per se für eine gewisse Reserviertheit auf Funktionärsebene – es sei denn, der Chef ist ein Kommunikationsberserker wie Schelling.

Rabmer-Koller gilt als "Erfindung" Christoph Leitls. Der WKO-Chef hält viel von ihr, schätzt ihren "Drive" und ihr Organisationstalent – immerhin führt sie "nebenbei" noch ihre Baufirma, hat zwei Kinder (eines davon im Teenageralter) und diverse ehrenamtliche Aufgaben. Seit Anfang des Jahres ist Rabmer-Koller auch Vorsitzende der "Europäischen Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe".

Überzeugungsarbeit

Dass sie im Hauptverband just nach der frauenlosen Regierungsbildung in Oberösterreich auf den Schild gehoben wurde, ließ sie rasch zur Antwort Leitls auf den Fauxpas seines Parteifreundes Josef Pühringer in Oberösterreich – und damit zur "Quotenfrau" – werden.

Das ist ein beliebtes Killerargument gegen Karrierefrauen – und sie gibt sich Mühe, so zu tun, als mache ihr das nichts aus. Sie habe sich immer in Männerdomänen beweisen müssen, sagt Rabmer-Koller, und das sei ihr stets gut gelungen. Frauen will sie auch im Hauptverband "auf allen Ebenen fördern", das Thema Empowerment ist ihr als Vorsitzende von "Frau in der Wirtschaft" ebenfalls nicht fremd. Einerseits. Andererseits: "Eine Feministin bin ich nicht."

Dieses Einerseits-andererseits zieht sich wie ein Motiv durch viele Themen, etwa bei Vorsorge und Gesundheitsbewusstsein. Beides liegt der neuen Hauptverbandschefin am Herzen. Sie redet sich warm, wenn sie davon spricht, dass schon Kinder lernen müssen, wie man sich richtig ernährt, wenn man Diabetes und andere Zivilisationskrankheiten wirksam bekämpfen wolle. Und das, doziert Rabmer-Koller, sei wiederum wesentlich für die Finanzierbarkeit des gesamten Systems.

Wenn "wir" immer älter werden, müssen "wir" auch länger gesund bleiben. Dabei gehe es nicht um Verbote, sondern darum, "zu überzeugen". Ob sie auch gegen das Rauchverbot sei? Wieder Einerseits-andererseits: Sie verstehe die Sorgen der Wirte, wenngleich sie als Gesundheitspolitikerin natürlich gegen das Rauchen sei. Sie selbst sei Nichtraucherin, aber natürlich nicht militant.

Geld folgt Leistung

So geht es weiter, bei allen heiklen Themen. Nur einmal hat sie sich in den vergangenen zwei Monaten aus der Deckung gewagt. Als die Wirtschaft die Einführung eines "Teilkrankenstandes" forderte und Rabmer-Koller dies wohlwollend aufnahm, erhielt sie prompt eine Abfuhr ihres Stellvertreters Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB.

Rabmer-Koller sei wohl noch "zu neu im Hauptverband", um zu wissen, dass es um die optimale Versorgung und die Interessen der Patienten gehe und nicht um jene einzelner Unternehmer, schrieb Achitz schneidend in einer Aussendung. Der Hieb saß – seither herrscht wieder Vorsicht.

Tatsächlich muss Rabmer-Koller genau überlegen, mit wem sie es sich verscherzt. Denn vor ihr liegen Mammutaufgaben. Die Gesundheitsreform, auf dem Papier längst beschlossen, muss umgesetzt werden. Hier hakt es an allen Ecken und Enden: Elga, Primary Health Care – es gibt kaum eine Reform, bei der es nicht Widerstand gäbe.

Schluss mit Vorsicht

Dazu kommt, dass die Kassen wieder einmal klamm sind. 2015 schrieb man gerade noch eine rote Null, die Aussichten für dieses Jahr sind noch tiefer rot gefärbt: Laut Prognose könnte das Defizit erneut auf 94 Millionen Euro ansteigen. Seit Wochen predigt die Hauptverbandschefin daher ihr Credo "Geld muss Leistung folgen" – Mittel müssten vom stationären in den niedergelassenen Bereich wandern, überhaupt brauche es eine fairere Verteilung der Mittel zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung.

Für die anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen hat sie sich bereits aufgerüstet, sie kann schlüssig darlegen, in welchen Bereichen die Sozialversicherung ihrer Meinung nach jetzt zu kurz kommt. Es wird ein zähes Match, sie wird sich mit hartleibigen Ländervertretern anlegen müssen – und mit ihrem Vorvorgänger Schelling. Dann ist wohl Schluss mit aller Vorsicht. (Petra Stuiber, CURE, 8.6.2016)