Investoren, die sich in ihrer Ignoranz perfekt ergänzen: Christoph Dostal, ...

Foto: Stadtkino

... Stephanie Cumming ...

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... und Jeff Ricketts in Daniel Hoesls "Winwin".

Wien – Es beginnt über den Wolken, dort, wo die Götter wohnen und der Boden der Tatsachen weit weg ist. Doch kaum haben die Investoren ihr symbolisches Zuhause verlassen und an österreichischen Konferenztischen Platz genommen, werden Raum und Luft spürbar knapp.

Die seriellen Verhandlungen in Winwin – mit Familienunternehmen, Kunststiftungen und Politik – sind von geradezu monströser Nichtigkeit. Sandberg & Lachman, so der Name der vermeintlichen Retter, bestechen durch steriles Lächeln, erstklassige Körperhaltung und angenehm intonierten Businessjargon. Da wird verbunden, vernetzt, verwurzelt, herausgefordert, aufgeschwungen, gesundgeschrumpft – und, nicht zuletzt, nachhaltig expandiert. Wie Objekte werden die Sätze in den Raum gestellt und zu leicht abgewandelten Modulketten zusammengebaut. Es ist eine rezitative Sprache, die ihre Grundierung gleichwohl in der Wirklichkeit hat – dem Drehbuch lagen unter anderem Gespräche mit Investoren, Managern und anderen superreichen Menschen zugrunde.

Stadtkino Filmverleih

Daniel Hoesl und das Produktionskollektiv European Film Conspiracy, bekannt durch ihr Debüt Soldate Jeanette (2013), richten in Winwin einen satirischen Blick auf die deregulierte Welt des Kapitals. Anders als im Investor-Song der Goldenen Zitronen sind die "Möglichkeitenschaffer" hier aber nicht schlicht und einfach die Bösen. Stilsicher, geräuscharm und holperfrei wie ihre Rimowa-Trolleys gleiten die Investoren Frances Sandberg, Nicolas Lachman, Bernard Efferent – gelegentlich in Begleitung einer stummen, enigmatischen Japanerin – durch die Geschäftswelt, um sie gleichsam von innen auszuhöhlen.

Investoren als Clowns

Dabei erweisen sich die Dynamiken von Hochfinanz, Unternehmenskapitalismus und Politik als höchst biegsam. Während die Frau Ministerin die Bestechung mit gelben Handtaschen freudig annimmt, werden mit der Kabinettchefin inoffizielle Treffen zwischen ausgestopften Füchsen, Rehen und sonstigem Getier abgehalten. Die Präsidentin einer Kunststiftung lässt sich wiederum kartoffelförmige Abstraktionen in Lavendelblau als wertsteigernde Schenkung unterjubeln. Im Laufe des Films nehmen die Auftritte der Investoren buchstäblich immer clowneskere Züge an (rote Nase, blaue "Kriegsbemalung" wie in Godards Pierrot le fou, seltsame Bewegungsakrobatik et cetera).

Der Elastizität des Finanzmilieus stellt Daniel Hoesl ein hochartifizielles visuelles Konzept entgegen, das ganz auf Statik und Begrenzung basiert. Winwin wurde im alten Fernsehformat 4:3 gedreht, die Bilder sind, mit Ausnahme einiger "tracking shots", unbeweglich, geometrisch gebaut und praktisch auf den Millimeter kadriert (Bildgestaltung: Gerald Kerkletz). Extreme Raumtiefe und maximale Flachheit geraten dabei in ein produktives Wechselverhältnis.

Hoesl hat einen extrem skulpturalen Begriff der Figuren- und Objektwelt, er arrangiert sie wie Artefakte, modelliert Raumachsen ins Bild und choreografiert jeden Positionswechsel. Die Verhandlungsszenen sind dagegen aus frontalen, porträthaften Einstellungen montiert, in denen die komplett isolierten Figuren den Betrachter direkt ansprechen – ein Brecht'scher Verfremdungseffekt, überformt bis an den Anschlag. In diese exakten Vermessungen passt auch Heterogenes: Hightech-Design und aristokratische Palais-Architektur, leere Geschäftsetage und Bücherwand, Electroclash und Kriegslied Großvater Stöffel.

Den Rahmen, den der Film setzt, kann er indes nicht mehr verlassen, die Hermetik von Winwin ist gewissermaßen systemisch, ebenso wie die Redundanz. Mitunter ist das ein wenig frustrierend, wenn auch total einleuchtend in seiner Konsequenz. Es kann in diesem System eben keine falsche Bewegung geben, keine Verfehlung, kein Abrutschen. Nur die Rückkehr nach oben. (Esther Buss, 30.3.2016)