Wo man manipulieren soll, war für Genetiker lange die große Frage. Der Nebel des Nichtwissens lichtet sich jedoch gerade.

Foto: Katsey

Weibliche Stechmücken haben eine für den Menschen unangenehme Gewohnheit. Sie saugen Blut ab, weil sie für die Produktion ihrer Eier Protein brauchen. Besonders gern holen sie sich das Eiweiß aus Füßen – angezogen vom dort lebenden Brevibacterium epidermis, das den markanten Käsegeruch verursacht. Das von der Mücke abgegebene Sekret beeinflusst die Blutgerinnung, es erleichtert das Saugen. Bei Menschen löst es an der Einstichstelle eine Abwehrreaktion hervor. Es entsteht eine Quaddel, die juckt.

Die in hiesigen Breiten bekannte Gelse ist ungefährlich. Doch in den Tropen und Subtropen beheimatete Stechmücken sind oft Überträgerinnen gefährlicher Infektionskrankheiten wie Malaria, die durch den einzelligen Parasiten Plasmodium hervorgerufen wird. Im vergangenen Jahr gab es Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge zirka 214 Millionen Krankheitsfälle, 438.000 Menschen sollen an der Infektion gestorben sein, 90 Prozent davon allein in Afrika.

Unfruchtbar machen

An effektiven Mitteln zur Eindämmung von Malaria wird gearbeitet. Zwar konnte die Zahl der Malariatoten durch eine Reihe vorbeugender Maßnahmen wie Kombinationspräparate reduziert werden, doch angesichts der rapiden Vermehrung der Stechmücken waren sämtliche bisherige Strategien nur begrenzt erfolgreich.

Das könnte sich durch die Möglichkeiten der Gentechnik ändern. Wissenschafter am Imperial College London zum Beispiel haben zuletzt einen beachtlichen Erfolg erzielt. Ihnen gelang es durch Genmanipulationen, die Blutsauger lokal unfruchtbar zu machen und damit zu dezimieren.

An den Forschungen waren Molekularbiologen wie Tony Nolan, Andrea Crisanti und der Österreicher Nikolai Windbichler beteiligt, der seit 2006 in London arbeitet und seit 2013, finanziert durch einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC), nach Strategien sucht, die Ausbreitung der Malariaüberträgermücke Anopheles einzudämmen.

Gen-Drive-Technologie

Prinzipiell, sagt Windbichler, sei es ja schon seit einem Jahrzehnt möglich, genmodifizierte Mücken im Labor zu erzeugen. "Doch eine Handvoll Mücken im Labor nützen niemandem." Die Frage ist: Wie kann man die Gene von Milliarden von Moskitos, also einer ganzen Population in Afrika, verändern?

Hier kam die Gene-Drive-Technologie zum Einsatz. Zuerst wurde noch eines von drei Furchtbarkeitsgenen mit der weltweit als medizinische Wunderwaffe gehypten DNA-Schere CRISPR/Cas9 (siehe Info unten) umgedreht, also zu einem Unfruchtbarkeitsgen verwandelt. Dieses Gen wurde dann öfter als gewöhnlich an die Nachkommen weitergegeben.

Ein recht trickreiches Unterfangen: Eigentlich hat jedes Gen nur eine Fifty-fifty-Chance, von einem der beiden Eltern an die Nachkommen weitergegeben zu werden. In diesem Fall waren es aber mehr als 90 Prozent. Wenn daraufhin das Unfruchtbarkeitsgen mit einem gesunden Gen in Kontakt kam, produzierte es wieder die DNA-Schere und griff damit das gesunde an, beschreibt es Windbichler.

Das solcherart attackierte Gen wiederum setzte zur Reparatur an, nahm aber das umgedrehte Gen und CRISPR/Cas9 als Vorlage, womit es sich selbst umwandelte und auch ausschaltete. Der Clou: Angriff und versuchte Reparatur passieren während der Produktion von Ei- und Samenzellen. Der Erfolg war damit hundertprozentig.

Mit Pestiziden bekämpft

Zweifler fragen, ob Malaria nicht auch von anderen Stechmücken übertragen werden könnte. Windbichler stellt klar: "Es gibt tausende Moskitoarten, aber nur bei einer Handvoll ist die effiziente Übertragung von Malaria auf den Menschen möglich. Sind diese Mücken nicht ausreichend vorhanden, gibt es auch keine Möglichkeit der Übertragung."

Auch Skepsis gegenüber der Methode lässt er nicht gelten: "Wir haben die Malaria in Europa durch weitaus dramatischere Eingriffe, zum Beispiel durch den massiven Einsatz von Pestiziden, eliminiert." In Afrika gibt es rund 800 Mückenarten, negative Auswirkungen auf das Ökosystem habe die Manipulation der malariaübertragenden Anophelesmücke also nicht.

Doch Genmodifikationen werden von der Gesellschaft als Gefahr betrachtet – es stellt sich die Frage der Akzeptanz. Windbichler: "Genmodifizierte Insekten werden schon heute in vielen Ländern eingesetzt, etwa in Brasilien oder Malaysia, teilweise auch in der Landwirtschaft. Die Akzeptanz ist in diesen Ländern vorhanden, weil die Menschen dort auch direkt mit Problemen konfrontiert sind. Ich kann mir vorstellen, dass mit der Ausbreitung des Zika-Virus auch in den USA die Akzeptanz genmodifizierter Moskitos steigen wird."

DNA manipulieren

Die Wissenschafter aus London arbeiten schon länger an dieser Lösung, die sie im Dezember im Fachblatt Nature Biotechnology beschrieben haben. "Wir hatten mit einer natürlich vorkommenden DNA-Schere schon 2011 gezeigt, dass das Ganze im Prinzip funktionieren kann", erzählt Windbichler. Aber diese erste Generation von DNA-Scheren sei sehr schwer zu manipulieren und so zu verändern gewesen, dass sie neue DNA-Sequenzen erkennen und schneiden kann. "CRISPR machte unser Leben, wie es auch für viele anderen Anwendungen der Fall ist, einfach sehr viel leichter."

CRISPR/Cas9 gilt derzeit ja als eine der revolutionärsten wissenschaftlichen Entdeckung seit Beginn des Biotech-Zeitalters. Das Prinzip leitet sich vom Mechanismus ab, mit dem sich Bakterien vor schädlichen Viren (Bakteriophagen) schützen. Das Enzym Cas9 erkennt DNA-Moleküle einer fremden Erbinformation und spaltet sie. Dazu braucht es einen "molekularen Steckbrief", der in Form eines RNA-Moleküls vorliegt, gespeichert wird das in eigenen Genen, die Wissenschafter als CRISPR bezeichnen.

Dieses Zerschneiden hat dem Werkzeug auch den Namen Gen-Schere eingebracht. Da dieses Prinzip grundsätzlich bei allen Organismen funktioniert, wäre es also auch für die Heilung von Erbkrankheiten bei Menschen theoretisch ein probates Mittel.

Als Entdeckerinnen von CRISPR/Cas9 gelten die französische Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier, Direktorin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin, und die US-Strukturbiologin Jennifer Doudna von der University of California. Beide bemühen sich um eine realistische Sicht der Möglichkeiten. CRISPR/Cas9 sei vorerst ein praktikables Werkzeug für die Forschung, sagen sie, aber noch nicht die Lösung gesundheitlicher Probleme.

Tigermücke gestoppt

CRISPR/Cas9 ist jedenfalls ein Hoffnungsträger bei der Bekämpfung von Malaria. Wissenschafter haben dieses Werkzeug auch verwendet, um die Tigermücke (Aedes aegypti), Überträgerin des Dengue-Virus, unschädlich zu machen. Am Dengue-Fieber erkranken laut WHO jährlich 50 bis 100 Millionen Menschen, mehr als 20.000 sterben. Die meisten Todesopfer sind Kinder.

Aktuell arbeiten mehrere Forschergruppen gleichzeitig daran, die Dengue-Infektion unter Kontrolle zu bringen. Wissenschafter an der US-amerikanischen Virginia Tech University haben im vergangenen Jahr entdeckt, was für die Geschlechtsdetermination der Tigermücke verantwortlich ist. Im Fachjournal Science Express beschrieben sie einen Gen-Schalter, der für die Männlichkeit bestimmend ist. Er heißt "Nix".

Sobald er in weibliche Embryonen injiziert wurde, entwickelten sich männliche Geschlechtsteile. Sofern die Forscher "Nix" mithilfe der genetischen Wunderwaffe CRISPR/Cas9 entfernt hatten, entwickelten männliche Moskitos weibliche Geschlechtsteile. Die grundlegende Überlegung dabei ist einleuchtend: Nur weibliche Stechmücken sind für den Menschen gefährlich. Sie saugen das Blut ab und infizieren die Opfer mit Krankheiten.

Die "Nix"-Manipulation könnte sie zu Männchen machen. Denn: "Männchen sind nicht relevant", schrieb dazu die Plattform Science Daily mit ironischem Unterton. Der Nachsatz: "Zumindest wenn es um die Übertragung von Krankheiten durch Stechmücken geht." (Peter Illetschko, CURE, 25.4.2016)

Originalstudie:

A CRISPR-Cas9 gene drive system targeting female reproduction in the malaria mosquito vector Anopheles gambiae

Zum Weiterlesen:

13 Menschen mit ganz besonderer DNA entdeckt: Zweiter Crispr-Eingriff

Bioethik-Expertin: Debatten werden in Grossbritannien pragmatischer geführt

Die Frau mit den DNA-Scheren