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Auch wo Flüchtlinge willkommen sind, dauert es meist lange, bis ihre Qualifikationen anerkannt werden. Forscher analysieren Kompetenzen und versuchen, den Menschen auf die Sprünge zu helfen.
Wien – Ob an den Unis, Fachhochschulen oder auch an außeruniversitären Forschungseinrichtungen: "Die Initiativen und Projekte sind im Herbst an vielen Stellen aufgepoppt", erzählt Nadine Shovakar von der Universitätenkonferenz. "Viele haben da einfach das Gefühl gehabt, dass sie etwas tun möchten." So entstand, teilweise gefördert durch die Chefetagen, teilweise über die Initiative einzelner oder vernetzter Gruppen, ein buntes Sammelsurium an Forschungsprojekten und Initiativen, Ringvorlesungen und Workshops für ehrenamtlich Helfende.
Gleich mehrere Projekte bemühen sich dabei darum, hochqualifizierte Flüchtlinge zu unterstützen. Das umfassendste, das More-Programm der Universitätenkonferenz, bietet an allen Unis Sprachkurse an, teilweise wurden auch andere Lehrveranstaltungen für Geflüchtete geöffnet. 740 More-Studierende waren es im Wintersemester, die meisten davon aus Syrien, Afghanistan und dem Irak; für das Sommersemester werden ähnliche Zahlen erwartet. "More gibt die Chance, an die Uni zu kommen, sich in einem ersten Schritt zu orientieren und die Wartezeit zu nutzen", erklärt Shovakar. Bis zur Anerkennung ihrer Studien sei es für gewöhnlich ohnehin noch ein weiter Weg.
Wissenschafter im Exil
Damit kämpfen häufig auch die geflüchteten Wissenschafter und Wissenschafterinnen, die am Projekt "Science in Asylum" am Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) teilnehmen: "Das Ziel ist es, grob gesagt, dass die Doktorinnen und andere Hochqualifizierte die Chance bekommen, in ihrem Fachbereich zu arbeiten, und nicht einen Hilfsjob weit unter ihrer Qualifikation verrichten müssen", erklärt Projektkoordinator Constantin Scherer. 25 Hochgebildete werden in Vorträgen über die österreichische und europäische Forschungslandschaft informiert, verfassen ein englisches Paper und knüpfen Kontakte zu Fachkollegen. So können auch Asylwerbende die "Zeit in der Warteschleife, während derer sie nicht arbeiten dürfen, bestmöglich nutzen", sagt Scherer.
"Gerade die erste Zeit ist schwierig", bestätigt Safwan Alshufi, der 2014 aus Syrien nach Österreich floh. Es fehlt einerseits an Deutschkursen, aber auch an professionellen Kontakten. Letztere baut Alshufi – der Trainer und Konfliktmanager schloss in Damaskus ein Kunststudium ab – derzeit auch über ein Praktikum am Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) aus: "Die Akademie gibt uns quasi ,nur' ein dreimonatiges Praktikum, aber es ist so wichtig!", sagt er. "Wenn das in meinem Lebenslauf steht, kann ich danach viel machen." Zusätzlich habe er viel gelernt, Erfahrungen gesammelt, sein Deutsch verbessert. 22 solcher Praktika für Flüchtlinge schrieb die ÖAW Ende letzten Jahres aus – von der Archäologie bis zur Technikfolgenabschätzung ist alles dabei.
Kompetenzen und Netzwerke
Genau solche Profinetzwerke sind zentral, wenn es darum geht, dass die Flüchtlinge wirtschaftlich relativ schnell auf eigenen Beinen stehen, sagt Sebastian Eschenbach, Leiter des Studiengangs Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der FH Burgenland. Eschenbach startete im Herbst ein Forschungsprojekt, um aus Sicht des strategischen Managements die Kompetenzen und Netzwerke der Geflüchteten, aber auch der österreichischen Gesellschaft zu analysieren. Demnach sind weder die einen noch die anderen "topkompetent", erklärt er, man müsse die Kompetenzen schrittweise entwickeln und Barrieren beseitigen. In den Teilen der österreichischen Gesellschaft, die sich mit den Neuankömmlingen beschäftigen, "entsteht aber gerade richtig Kompetenz", betont der Wirtschaftswissenschafter. Essenziell sei vor allem die Möglichkeit, zu arbeiten, "sonst verkümmern die Kompetenzen", warnt Eschenbach.
Welche Qualifikationen und Erfahrungen die Geflüchteten mitbringen, ist auch Thema zweier weiterer Forschungsprojekte: Das ÖAW-Institut für Demographie befragte in Kooperation mit der WU Wien Flüchtlinge unter anderem zu Bildungshintergrund und Werten. Die Ergebnisse sollen demnächst veröffentlicht werden, laut ersten, Ende 2015 veröffentlichten Trends liegt das Bildungsniveau jedoch deutlich über dem, das vom AMS in den Kompetenzchecks erhoben wurde.
Flüchtlinge als Forscher
Das andere Projekt – die Studie "Bildment" der Initiative Minderheiten – startet in Kürze. In 100 qualitativen Interviews will man den Bildungshintergrund von Geflüchteten sowie die Barrieren und Unterstützungssysteme in Österreich erfragen. Forschen werden dabei vor allem die Betroffenen selbst: Rund 15 Personen mit Fluchterfahrung werden in Workshops ausgebildet, um die Interviews zu führen, auszuwerten und Geflüchtete durch Mentoring zu unterstützen. "Unsere Interviewer sind dadurch sprachlich flexibel und wissen über die Bildungssysteme der jeweiligen Länder gut Bescheid", betont Projektleiter Mikael Luciak Forscher vom Institut für Bildungswissenschaften der Universität Wien.
Dabei gehe es auch darum, das Bild des Zuwanderers als Bedrohung für das Sozialsystem zu hinterfragen. Aktuelle Zuwanderer seien gebildeter und stärker durchmischt als früher: "Die Wissenschaft hat die Aufgabe, auf Fakten hinzuweisen: Wir brauchen Zuwanderung, wir brauchen gut gebildete Leute. Ihnen müssen wir die Wege im Land öffnen und nicht versperren", so Luciak.
Immerhin, zumindest in der Forschungslandschaft hat sich einiges geöffnet: "Es gibt eine starke Vernetzung und viel Austausch – sonst ist es ja oft so, dass jeder sich abschottet", sagt der Experte. Damit dieser "Hype" nun nicht abflacht, hoffen die Forscher nun verstärkt auf öffentliche Förderungen – wurden doch viele Projekte über Crowdfunding, Spenden und von ihren Instituten vorfinanziert. (Heidi Weinhäupl, 31.3.2016)