Jesper Juul
Leitwölfe sein

Liebevolle Führung in der Familie
Verlagsgruppe Beltz 2016
215 Seiten, 17, 50 Euro

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Familientherapeut, Autor und STANDARD-Kolumnist Jesper Juul.

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Kindern könne nichts Besseres passieren als Eltern, die liebevoll die Führung übernehmen. Mit einem autoritären Erziehungsstil, also mit Beherrschung und Unterordnung, hat das allerdings nichts zu tun. Der dänische Familientherapeut, Erziehungsexperte Jesper Juul, der auch eine regelmäßige Kolumne für den STANDARD schreibt, legt in seinem jüngsten Buch dar, was es in diesem Sinne heißt, "ein Leitwolf" zu sein. Es gehe darum, klare Entscheidungen zu treffen, manchmal auch Unpopuläres gegenüber den Kindern durchzusetzen, Konflikten nicht aus dem Weg zu gehen – und dabei immer die persönlichen Grenzen des Kindes zu respektieren.

Persönliche Integrität

Juul, Autor zahlreicher Bücher zu Erziehungsfragen, legt Wert darauf, dass Führung nicht mit Erziehung zu verwechseln sei. Ersteres meint nicht die Vermittlung von Werten, sondern elterliches Einfühlungsvermögen, Dialog mit den Kindern und vor allem: Authentizität und persönliche Autorität. Eine Autorität, die nicht willkürlich und rücksichtslos daherkommt, sondern sowohl die persönliche Integrität des Gegenübers als auch die eigene achtet. Diese Form von Autorität fußt nach Juul auf Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und auf der Fähigkeit, andere ernst zu nehmen und ihnen mit Respekt zu begegnen. Keine leichte Aufgabe.

Fallgruben für Leitwölfe

Eltern, die Leitwölfe sind, würden sich Konflikten stellen, schreibt Juul. Dass für viele Eltern Harmonie ein Ausdruck von Liebe ist, findet er problematisch. Wenn Konflikte nämlich nie ausgetragen werden dürfen, lernen Kinder nicht, wie sie mit vermeintlich unerwünschten Gefühlen umgehen können. In welche Fallen Eltern durch bestimmte Erziehungsstile tappen können, erklärt Juul im Kapitel "Fallgruben für Leitwölfe": Hier werden Eltern, die ihr Kind als "Projekt" wahrnehmen und jedes Detail seines Lebens kontrollieren wollen, und jene, die in der Erziehung ihrer Kinder den Weg des geringsten Widerstands gehen wollen, mit ihren eigenen Motiven konfrontiert.

Inspiration für Eltern

Besonders anschaulich in diesem Buch sind immer wieder die Unterkapitel, in denen Juul Fallbeispiele bringt und Elternfragen beantwortet. "Leitwölfe sein" will als Inspiration dienen. Eltern sollen ermuntert werden, eine authentische und respektvolle Führung in ihrer Familie zu praktizieren. Spannend auch, dass der Kampf der Frauen um Gleichberechtigung und die Verschiebung der Rollenbilder in der Familie eng mit der Frage der elterlichen Führung zusammenhängen. Jesper Juul liefert neue Antworten auf alte Fragen. (Christine Tragler, 31.3.2016)